Full text: 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen

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Gotha das Rittergut Molsdorf. Der neue Gutsherr, mit dem 
auch neues Lebeu in den bisher so stillen Ort einzog, ließ, seinen 
Wünschen entsprechend, den aus dem 16. Jahrhundert stammen¬ 
den Schloßüau im Geiste des Barock und Rokoko verändern, und 
heute noch zeigt das Gebäude, nachdem es im vorigen Jahrhundert 
(1866—1870) geschickt wiederhergestellt wurde, die Bauart jener Zeit, 
deren echtes Kind Gras Götter selbst war. Schon die Inschriften, 
die der Bauherr an verschiedenen Stellen des Schlosses anbringen 
ließ, kennzeichnen den Geist, der damals in den vornehmsten Krei¬ 
sen herrschte. Die Türme der Nordseite tragen die Worte: „Sit 
mea sedes sine cura“ (Mein Sitz sei sorgenfrei) und „Sit modus 
lasso viarum“ (Er sei des Müden Wanderziel). Ueber dem Por¬ 
tal steht unter dem Wappen Gotters das Wort „Hicce terrarum 
praeter omnes angulus ridet“ (Vor allem gefällt mir dieser Win¬ 
kel der Erde). Unter den beiden Sonnenuhren an den Seiten¬ 
flügeln liest man die Worte: „Fugaces labuntur anni“ (Flüchtig 
entgleiten die Jahre) und „Hora rapit diem“ (Die Stunde raubt 
den Tag), und unter dem Wappen, das auf dieser Seite die Krö¬ 
nung des Mittelbaues abschließt, steht „Placida quies* (Behag¬ 
liche Ruhe). 
Innerer Schmuck: Das Innere des Schlosses zeigt gleich¬ 
falls Rokokostil. Betritt man von der Gartenseite den weißen 
Flur mit seiner reichen Stuckverzierung, so winkt aus der Nische 
das Becken mit dem Weinhahn, welcher durch einen Schlauch mit 
dem Keller in Verbindung stand und einen kostbar dustenden Wein 
spendete, der ankommenden Gästen gereicht wurde. Bei dem Auf¬ 
stiege nach dem Obergeschoß grüßt aus dem Hintergründe über 
der Treppe ein liebliches Bild. Es ist ein Freskogemälde (Wand¬ 
gemälde auf frischem Kalk) und stellt eine geöffnete Glastür dar, 
vor welcher sich ein reizendes Mädchen, das eine Rübe in der 
Hand hält, über ein zierliches Geländer beugt. Als der Graf ein¬ 
mal von einer langen Reise unerwartet zurückkehrte, sprang ihm 
jenes junge Mädchen, eine Schweizerin, aus dem Küchengarten 
mit einer Rübe in der Hand und einem fröhlichen „Grüß 
Gott, Herr Graf!" entgegen. Diese heitere Begebenheit ließ der 
Gras im Bilde über der Treppe darstellen. Unter den verschiede¬ 
nen Räumen ist besonders das Damenzimmer mit seiner präch¬ 
tigen Decke, der schönsten im Schloß, hervorzuheben. Die Stuck¬ 
verzierung zeigt eine stilvolle Vereinigung von gebrochenen Stäben, 
Blättern und Muschelformen mit Tiergestalten, wie Pfau, Affe, 
Falter usw., welche die weiblichen Schwächen darstellen sollen. 
In Silber ausgeführt, wirkt der zarte Entwurf auf schwarzem 
Grunde vortrefflich. 
Im Schloßpark: Der stilvollen Ausschmückung des Schlosses 
entsprach die Anlage des Parkes. Nach Versailler Muster durch¬ 
schnitten zwei schnurgerade, glattgeschorene, oben zugewölbte Al¬ 
leen den 38 Morgen großen Schloßgarten und endeten an zier-
	        
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