— 123 —
die Königin Luise, welcher das Unglück des Vaterlandes das
Herz brach, ihm durch den Tod entrissen wurde. Von dieser
hervorragenden Königin schreibt ein Zeitgenosse: „Luise von
Preußen sah und grüßte iu dem geringsten ihrer Untertanen
einen Sohn oder eine Tochter, hob am Wege spielende Kinder
liebend empor aus ihre Arme, an ihr Herz, bückte sich tröstend
zu dem am Wege kauernden Mütterchen, und wo es nicht der
milden Gabe bedurfte, zu der ihre Hand immer offen war, da
ließ sie als Andenken wenigstens ein freundliches Wort fallen,
das unauslöschlich im Herzen der Angeredeten blieb.“
In die Bevölkerung Preußens zog ein neuer Geist ein, ein
Geist ernster Frömmigkeit und opferfreudiger Vaterlandsliebe.
2. General Aork.
Im Jahre 1812 erklärte Napoleon dem rufsischeu Kaiser
Alexander den Krieg und rückte, mit einem Heere von 600000
Mann in Rußland ein. Auch Österreich und Preußen waren
gezwungen worden, Hilfsheere zu stellen; 30000 Österreicher nahmen
Stellung an der Grenze zwischen Galizien und Rußland, 20000
Preußen unter General Aork besetzten Kurland. Mit dem Haupt¬
heere erfocht Napoleou mehrere Siege über die Russen und zog
am 14, September 1812 in Moskau ein. Allein die Russen
selbst steckten ihre Hauptstadt in Brand, und nach einmonatigem
Aufenthalte in der zerstörten Stadt mußte der französische Kaiser
den Rückzug antreten. Ein früher, furchtbar harter Winter und
die unablässigen Angriffe der Russen brachten dem gewaltigen
-Heere Napoleons den Untergang. Als die Nachricht hiervon in
die Ostseeprovinzen kam, trat die dort befindliche französische
Heeresabteilung den Rückzug an; Aork mit feinen Preußen folgte.
Schon nahten aber die siegreichen Russen. Russische Unterhändler
kamen zu Aork, gaben ihm Kenntnis von der völligen Ver¬
nichtung des französischen Heeres und forderten ihn auf, sich
von den Franzofen zu trennen und sich mit den Rnffen zu ver¬
binden. Hork weigerte sich dessen, wie sehr er auch die Fran¬
zosen haßte; so lange Aussicht war, daß er seine Truppen wohl¬
behalten ins Vaterland zurückführen könne, gebot ihm Pflicht
und Ehre, jede Unterhandlung abzuweisen. Allein nach einigen
Tagen hatten ihm die Russen den Rückzugsweg verlegt; nun
stand er vor der Wahl, ob er sein kleines Heer in nutzlosem
Kampfe aufopfern, oder durch ein ehrenvolles Abkommen es
feinem Könige für den Kampf gegen den Unterdrücker erhalten
wolle. Er wählte das letztere; in einer Mühle bei Tauroggen
schloß er am 30. Dezember 1812 einen Vertrag mit den Russen;
nach diesem Vertrage konnte er fein Heer nach Ostpreußen in
die Winterquartiere führen und dort abwarten, was der König