Full text: Bergers Erzählungen aus der Weltgeschichte

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Bürger selbst ihre Wälle, Türme und Mauern niederreißen. Mit 
der Freiheit von Colmar war es zu Ende. 
Diese Wegnahme von Colmar, bald darauf auch die von 
Schlettstadt und Weißenburg, fällt in die Zeit, in welcher der 
Kaiser im Bunde mit Holland und Spanien mit Ludwig XIV. 
einen Krieg führen mußte. Man nennt diesen den zweiten Raub¬ 
krieg. Denn um Länder mit Gewalt wegzunehmen, zu rauben, 
hatte ihn der französische König unternommen. In diesem Kampfe 
standen treu zum Kaiser Karl III., der Herzog von Lothringen, und 
Friedrich Wilhelm, der große Kurfürst von Brandenburg. Das 
deutsche Elsaß wiederzuerobern, sahen diese als ihre Hauptausgabe 
an. Der große Kurfürst erschien mit einem Heere von 20000 
Mann am Rheine. Unter dem Jubel der Bevölkerung hielt er 
im Jahre 1674 in Straßburg seinen Einzug. Nach Bereinigung 
der kaiserlichen, brandenbnrgischen und lothringischen Truppen 
war die Lage des französischen Generals Türenne sehr gefährlich. 
Er zog sich deshalb vor der Übermacht über die Zaberner 
Steige hinter die Vogesen zurück. Die Deutschen glaubten sich 
sicher und bezogen sorglos Winterquartiere. Allein Türenne 
ruhte nicht. Trotz des Winters zog er jenseits der Vogesen nach 
Süden. Plötzlich kam er im Dezember 1674 über Belfort aufs 
neue ins Elsaß und besiegte die Kaiserlichen bei Ensisheim. Dann 
rückte er nach Norden. Auf die Nachricht vom Herannahen der 
Franzosen stellten sich die Verbündeten (angeführt von dem kaiser¬ 
lichen Feldherrn von Bonrnoville, dem Kurfürsten von Branden¬ 
burg uud dem Herzog von Lothringen) zwischen Colmar und 
Türkheim auf. Vor fich hatten sie den Logelbach; der rechte 
Flügel wurde durch das Gebirge, der linke durch die Stadt Col¬ 
mar gedeckt. Starke Verschanzungen mit zahlreichen Geschützen 
machten ihre Stellung unangreifbar. In dieser Not wußte sich 
aber Türenne zu helfen. Er zog über Egisheim, wo er über¬ 
nachtete, auf ungebahnten Wegen, in tiefem Schnee längs des 
Gebirges durch Hohlwege*) und marschierte hinter Winzenheim 
vorbei in das Münstertal. Sofort nahm er Türkheim. Von 
hier aus griff er die Verbündeten von der Seite an. Ihre feste 
Stellung nützte ihnen jetzt wenig. Nach vier Stunden war der 
Kamps zugunsten der Franzosen entschieden. Es war am 
5. Januar 1675. Noch vor Ende des Winters sahen sich die 
Verbündeten genötigt, über den Rhein zurückzugehen. 
Auch der große Kurfürst mußte das Land verlassen. In 
Straßburg traf ihn neues Unglück; hier starb ihm sein Sohn. 
Zu dem^chmerz über den verlorenen Feldzug, über den Verlust 
seines Sohnes kam plötzlich die Nachricht, daß die Schweden in 
sein Land eingefallen seien. Sie waren von Ludwig XIV. dazu 
*) Nicht über das Gebirge.
	        
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