Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns

29. Albrecht Dürer. 
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Holztüre ist es das getreue Abbild eines fränkischen Bauernhofes der damaligen 
Zeit, wie ihn Dürer und manche seiner Zeitgenossen oft dargestellt haben. 
Damit stehen wir bei einem anderen Punkte seines Schaffens: bei der Land¬ 
schaft. Auch hier fußt Dürer auf seinen Vorgängern. Schon hundertfünfzig 
Jahre vor ihm brachte man, vor allem in Frankreich, Andeutungen einer Land¬ 
schaft, wie einen Baum, einen Hügel, auf Heiligenbildern an. Achtzig Jahre vor 
ihm schufen dann Niederländer, wie Jan van Eyk, aber auch Deutsche auf 
ihren Bildern große landschaftliche Hintergründe. Aber allen bis zu Dürers 
Vorläufern herab fehlt die Einheit zwischen dem szenischen Vorgang und dem 
Hintergründe; das Bild zersällt in zwei Teile: die Figuren im Vordergründe 
und die Wiesen, Berge und Städte in der Ferne. Der Übergang zwischen 
beiden, der „Mittelgrund", ist mehr oder weniger geschickt verdeckt oder mit 
kulissenartigen Bauten verstellt. Erst Dürer gelingt es die Landschaft von 
vorne bis zum Horizont ununterbrochen durchzuführen. Folgen wir ihm ein 
wenig auf unserem Bilde! Da ist vorne hinter dem niederen Gemäuer ein 
Hof, in dem ein Faß und unbehauenes Holz liegt und Hühner picken. Dann 
kommt die vielgestaltige Ruine mit der vorgebauten Treppe, dem Brunnen, 
dem Holzgang und dem noch bewohnten Anbau. Darau schließt sich der er¬ 
wähnte Bauernhof und weiter ein zerfallenes Tor. Und noch hinter diesem 
Tore, zum Teil durch dasselbe, sehen wir den Felskopf mit der Burg, eiu Tal 
und fernes Gebirge. So zwingt uns der Künstler, an hundert kleinen Zügen 
nach und nach die ganze Weite des Raumes bis zum Horizont zu durchmessen. 
Auffallen mag, ans welchen Teilen Dürer feine Landschaft zusammen¬ 
setzt; besonders die in ihren Einzelheiten so reizvoll phantastische Ruine wird 
Erstaunen erregen, wenn sie auch anderseits an moderne Romantik erinnert. 
Gerade in ihr liegt aber ein echt deutscher Zug. Die Ruinenromantik war 
den Deutschen und Niederländern schon lange eigen und lieb geworden, be¬ 
sonders bei Darstellungen aus der Kindheit Christi; der Stall in Bethlehem 
ist fast immer in eine Ruine verwandelt. Auch die Burg im Hintergründe 
entspringt derselben Gefühlsrichtung. Während der Italiener gerne einen 
Phantasieban in strengen, vollendeten Renaissanceformen aus seinen Bildern 
anbringt, liegt es dem Deutschen viel näher den melancholischen Reiz zer¬ 
fallenden Gemäuers oder die Vielgestaltigkeit seiner heimischen Burgen zu 
schildern. 
Betrachten wir nun noch die Mittel, mit denen Dürer den Eindruck 
dieser Raumweite erreicht. Ich muß hier kurz von Perspektive reden, wenigstens 
von einem Hanptgrnndsatz derselben. Parallele Linien, die vom Beschauer 
wegführen, scheinen zu konvergieren und würden sich, in ihrem scheinbaren 
Verlaufe bis außerhalb der Sehweite verlängert, alle in einem Punkte schneiden. 
Dieser auf der Zeichnung konstruierbare Punkt heißt der Augenpunkt. Be¬ 
obachten wir nun Dürers Landschaft nach dieser Richtung! Da sehen wir 
ans der linken Bildseite eine Menge solcher Linien: die wagrechten Fugen der
	        
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