29. Albrecht Dürer.
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und Apelles lasen, fühlten das Bedürfnis anch der Malerei ihrer Zeit näher¬
zutreten. Daß sie aber gerade Dürer znm Umgang wühlten, zeigt, daß sie
an ihm nicht mir das große Talent sondern auch das rastlose geistige Vor¬
wärtsstreben und die menschliche Liebenswürdigkeit zu schätzen wußten, während
sie von anderen Künstlern der Mangel gelehrter Bildung fernehielt.
Aus jener Zeit stammt auch Dürers Bekanntschaft mit einem seltsamen
Manne, dem italienischen Maler Jacopo de’ Barbari, der damals unter dem
Namen Jakob Walch (= der Welsche) in Deutschland lebte und namentlich
an verschiedenen Fürstenhöfen als Porträtmaler herumzog. Dürer bewunderte
anfänglich die überlegene Schulung des an sich recht unbedeutenden Mannes
und suchte namentlich von dessen Kenntnis in der Proportion des Menschen
etwas zu lernen; aber der andere wollte es ihm „nit klerlich weisen", wie er
selbst erzählt. So griff er auf die Quelle zurück, aus der auch der Italiener
sein erstes Wissen geschöpft, auf den römischen Architekten Vitruv, den ihm
sein Freund Pirkheimer übersetzen mußte. Das Studium der Proportionslehre
blieb von nun an eine Lieblingsbeschäftigung Dürers und brachte ihm trotz
vieler Irrtümer auch manche förderliche Erkenntnis. Auf Jacopo aber war
er später nicht mehr gut zu sprechen, als er wirklich große italienische Meister
kennen gelernt und dadurch den Unwert jenes unstet herumziehenden Malers
erkannt hatte.
Um jene Zeit flössen Dürer die Aufträge auf Altarwerke und Bildnisse
in reichem Maße zu. Er hatte damals mehrere Gesellen in seiner Werkstatt,
denen er manchmal, wenn auch selten, Teile seiner Altäre zur Ausführung
überließ. Daneben schritten seine Arbeiten in Kupferstich und für Holzfchnitt-
werke rüstig fort. Es entstand in jenen Jahren der größte Teil einer Holz-
fchnittfolge, die das Leiden Christi schildert und ihres Formates wegen meist
„die große Passion" genannt wird. Auch das Marienleben, dem unser Bild
entnommen ist, wurde damals begonnen. Beide Bücher erlebten erst viel später
ihre Vollendung.
Die Arbeiten wurden unterbrochen durch einen Ruf, der den ersten großen
Triumph Dürerscher Kunst und in gewissem Sinne den größten seines Lebens
bedeutet: im Jahre 1505 erhielt Dürer den Auftrag für die Kapelle in dem
neuerbauten Hofe der deutschen Kaufleute in Venedig (fondaco dei tedeschi)
das Altarwerk zu malen. Ende des Jahres traf er in der Lagunenstadt ein.
Wir sind über sein Tun wohlunterrichtet durch eine Reihe von Briefen, die
er von dort an Pirkheimer schrieb und die noch erhalten sind. Da Hören
wir, daß er vom Neide der Venezianer Maler mancherlei zu leiden hatte; aber
der größte unter ihnen, der alte Giovanni Bellini, kam ihm wohlwollend ent¬
gegen. Das großartige Leben der Seestadt, besonders die freiere Stellung der
dortigen Künstler, macht ihm tiefen Eindruck. „Wie wird mich noch der
Sunnen frieren", ruft er beim Abschied aus, „hie bin ich ein Herr, doheim ein
Schmarotzer." Auf das Bild selbst verwendet er unendlichen Fleiß; erst nach
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