Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns

252 46. Der bayerische Hof im Zeitalter des fürstlichen Absolutismus. 
Der Verherrlichung des absoluten Fürstentums dienten die bildenden 
Künste, namentlich die Architektur, die sich besonderer Bevorzugung erfreute, 
weil hier die Auftraggeber weniger hinter den Künstler zurücktraten; ihr diente 
ein Agostino Barelli, ein Amort, ein Triva, ein Sandrart. Die Theatiner¬ 
kirche und das Theatinerkloster entstanden nicht allein wegen des Gelübdes 
der kurfürstlichen Eltern, das fürstliche Selbstgefühl wollte eine zweite S. Andrea 
della Balle schaffen, wie gleichzeitig mit Nymphenburg eine Kopie Venerias, 
des Lustschlosses Herzog Karl Eugens von Savoyen. Der höfische Charakter, 
die höfische Feststimmung, die höfische Neigung zur Prachtentfaltung, zu über¬ 
ladener Dekoration durchzieht selbst das Innere der Theatinerkirche, verrät sich 
in den üppigen Formen der Stuckornamentik. 
Die treibende Kraft für alle diefe künstlerischen Bestrebungen war nicht 
innerer Drang, nicht tieferes Verständnis für das wahre Wesen der Knnst, 
nicht beim Kurfürsten, vielleicht nicht einmal immer bei der Kurfürstin, so sehr 
auch höfifche Schriftsteller der Zeit ihreu Geist feiern mögen, so sehr sie auch 
gewisse künstlerische Allüren und Freude an verfeinerter Geselligkeit besaß. Es 
war aber auch nicht bloß das unruhige Temperament, die Eitelkeit und Mode- 
sucht der Kurfürstin, die Fügsamkeit des Kurfürsten. Wie Ludwig XIV., wie 
jenes repräsentative Zeitalter überhaupt, so erblickte auch der bayerische 
Hos in der Entfaltung fürstlicher Pracht ein Herrschermittel, weniger um das 
Volk zu künstlerischem Verständnis als vielmehr zur Bewunderung zu er¬ 
ziehen; die Bewunderung erleichtere den Menschen die volle Hingabe an das 
absolute Fürstentum, ein Fürst müsse, wie Napoleon später äußerte, in allem 
seinen Tun und Reden auf die Phantasie der Menschen zn wirken suchen. 
„Die Magnifizenz und die Pracht verleiht die höchste Zierde der Herrlichkeit 
einem fürstlichen Hofe und ist diese das eiuzige Mittel, welches die Fürsten 
berühmt macht und ihnen auch größeren Gehorsam und Respekt bei den Unter¬ 
tanen verursacht," äußert ein bayerischer Zeitgenosse unter ausdrücklichem Hin¬ 
weis auf das Beispiel Ludwigs XIV. Gerade dieses Moment hat auf Ferdi¬ 
nand Maria mehr als alle anderen eingewirkt, seine Abneigung gegen die 
repräsentativen Pflichten, gegen die Ruhelosigkeit des Hoflebeus, gegeu die hohen 
finanziellen Ansprüche etwas beschwichtigt. Weil es zu den Gepflogenheiten 
des damaligen Hoflebens gehörte, ließ der Kurfürst die Mitglieder des kur¬ 
fürstlichen Hauses in der Oper, in dem Ballette, im Schauspiele persönlich 
mitwirken, übernahm er selbst in der „Antiope" die Rolle des Königs Tolon, 
der für die von Theseus beleidigte Antiope eintritt. 
Die Bewunderung des Auslandes war ein anderes Ziel des da¬ 
maligen absoluten Fürstentums, auch Ferdinand Marias. Bayern hat zu den 
verschiedensten Zeiten der Pflege fremder Kultur eine Heimstätte bereitet. Da¬ 
mals hatte das nicht bloß seinen Grund in der Vorliebe Adelheids für Frank¬ 
reich und für das Land ihrer Väter, die sie bestimmte, Künstler und Künstle¬ 
rinnen aus ihrer Heimat zu berufen, man strebte den Ruf eines fürstlichen
	        
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