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112. Prinz Karl von Bayern.
leicht nicht einmal darum, aber dennoch bin ich es seinen Kindern schuldig
mein Wort zu halten."
Es sind dies kleine alltägliche Züge, allein sie sind vielleicht bezeichnender
für seine Denkart als seitenlange Reflexionen; sie zeigen uns am klarsten jene
Rechtlichkeit und jenes menschenfreundliche Wohlwollen, das Prinz Karl selbst
dann noch festhielt, als er sich längst von den Menschen zurückgezogen. Die¬
jenigen aber, denen es vergönnt war ihm näher zu treten, wurden Zeugen
einer Liebenswürdigkeit, die etwas Herzgewinnendes hatte: niemals vergaß er
der Dienste, die man ihm, wenn auch pflichtgemäß, erwiesen; niemals war
seine Sympathie, wenn man sie je erworben, dem Wechsel der Stimmungen
oder der Jahre preisgegeben. Auch hierin, auf dem Gebiete des edelsten
Empsindens, war er konservativ, Pietät war ihm ein Lebensnerv; er übte das
alte Ritterwort „Treue um Treue bietend."
Es liegt nahe, daß ein Fürst, der seine persönlichen Beziehungen mit
diesem Vollgefühle erhöhter Pflichten mißt, auch im Bereiche materieller Ver¬
bindlichkeiten die volle Hand betätigt; Freigebigkeit ist ja untrennbar von
wahrer Vornehmheit.
In dieser Hinsicht aber war Prinz Karl beinahe einzig, seine Generosität
war ohne Grenzen und sein Wohltun ist zum Segen für Tausende geworden.
Einfach und bedürfnislos für sich selbst, machte er sofort den höchsten An¬
spruch, sobald es galt zu repräsentieren; die Fülle und Pracht, die sich bei
solchen Gelegenheiten entfaltete, war er seinen Gästen und seiner eigenen
Stellung schuldig. Sie schien ihm nicht minder eine Pflicht als feine Mild¬
tätigkeit gegen die Armen.
Was er diesen geleistet hat, beziffert sich aus Millionen (und Millionen
betragen die Summen, die noch nach seinem Tode diesem edlen Zwecke dienen),
in allen Nöten war Prinz Karl die erste und letzte Hilfe. Freilich konnte es
dabei nicht fehlen, daß auch so mancher Mißbrauch mitunterlief; es gab wohl
Leute, die sich nicht scheuten ein Reitpferd für ihren Sohn und einen Logen¬
platz für ihre Tochter zu erbitten (wie er es selbst versicherte), doch er war
großmütig genug nie seine Hand dem wirklichen Bedürfnis zu entziehen,
weil manch erheucheltes Bedürfnis seine Hilfe in Anspruch nahm. Auch im
Gebrauche seiner Güter galt ihm die Norm »noblesse oblige« und man
fühlte wohl den Gegensatz, in dem dieser historische Reichtum zum modernen
Reichsein stand. Alles, was ihn umgab, feilt Hofhält, feine Dienerschaft, der
ganze äußere Apparat seines Lebens war nach diesem Stile bemessen; es hätte
wohl der zehnte Teil für sein eigenes Bedürfnis genügt, aber fein Grundsatz
war: Ich brauche die Leute freilich nicht, allein sie brauchen mich.
So blieb das Bewußtsein fürstlicher Pflicht und Würde gleichsam der
Brennpunkt seines ganzen Wesens, in dem sich all feine Neigungen, all feine
Vorzüge und kleinen Schwächen konzentrierten; denn welcher Sterbliche ist