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121. Die Waffenstreckung bei Sedan.
„Oh, sie sind nicht so stark, tote Sie behaupten, diese Stellungen" —
toarf der General Wimpsfen ein. Da versetzte General Moltke in scharfem
Ton: „Sie kennen einfach die örtliche Lage der Umgebung von Sedan nicht
und das ist ein sonderbarer Umstand, der so recht geeignet ist den Dünkel
und den Leichtsinn Ihrer Nation zu malen. Beim Beginne des Feldznges
haben Sie an Ihre Offiziere Karten von Deutschland ausgeteilt, aber die
Geographie Ihres eigenen Landes konnten Sie nicht studieren, weil Sie die
Karten Ihres eigenen Landes nicht besaßen. Wohlan: Ich sage Ihnen, unsere
Stellungen sind nicht bloß sehr stark, sie sind furchtbar und unbeztoinglich."
— Auf diesen Ausfall wußte General Wimpffen keine Antwort, denn die
Tatsache war richtig und uuwiderfprechlich. Nach einer Panse sagte er: „Ich
werde Gebranch machen, General, von dem Anerbieten, das Sie beim Be¬
ginne der Besprechung mir gemacht haben, ich werde einen Offizier beauf¬
tragen diese furchtbaren Stellungen einzusehen, von denen Sie sprechen, und
bei seiner Rückkehr werde ich zusehen und Beschluß fassen."
„Sie werden niemand schicken, es ist unnütz," lautete die trockene Er¬
widerung, „Sie können mir glauben; außerdem haben Sie nur noch wenig
Zeit zum Überlegen, denn jetzt ist Mitternacht; um 4 Uhr läuft die Waffeu-
rnhe ab und ich werde Ihnen keinen Augenblick Aufschub bewilligen."
Jetzt verzichtete General Wimpffen auf die Besichtigung und bat nur um
Frist um seine Kollegen zu befragen, ohne diefe könne er doch seinen Entschluß
nicht fassen, und da er sie zur Stunde in Sedan gar nicht auffinden könne,
so sei eine Verlängerung der Waffenruhe unbedingt nötig. Da General Moltke
nicht nachgeben wollte, so flüsterte ihm Graf Bismarck einige Worte zu und
das Ergebnis war, daß die Waffenruhe bis auf 9 Uhr erstreckt ward; das
sollte aber die äußerste Frist sein und so trennte man sich gegen 1 Uhr
morgens. Da die Waffenftrecknng der Armee nunmehr für zweifellos zuge¬
standen gelten konnte, so wurden die Bedingungen derselben noch in der Nacht
vorn Generalstabe des Großen Hanptqnartieres festgesetzt und darin mit Rück¬
sicht auf die tapfere Gegenwehr der Armee allen Generalen und Offizieren
sowie den höheren Beamten mit Offiziersrang die Freilassung samt Waffen
und Privateigentum angeboten, wenn sie sich schriftlich mit ihrem Ehrenwort
verpflichten wollten bis zur Beendigung des gegenwärtigen Krieges die Waffen
gegen Deutschland nicht zu ergreifen und in keiner Weife gegen die Interessen
Deutschlands zu handeln.
Der Vertrag gewährte also schließlich doch mehr, als ursprünglich in
Aussicht gestellt war.
Bei der Unterzeichnung des weltgeschichtlichen Schriftstückes war auch
Graf Bismarck zugegen. In seinem Berichte an den König hebt er hervor,
das Verhalten des Generals von Wimpffen fei ebenso wie das Der anderen
Generale am Abende vorher ein sehr würdiges gewesen und die Bewilligung