I. Abschnitt.
Vom Beginne der Völkerwanderung bis zu dem Vertrage von
Verdun (375-843).
1. Z)ie Germanen.
Unsere Vorfahren waren nicht nranfänglich in Europa heimisch,
sondern sind in sehr früher Zeit von Asien aus eingewandert. Sie
stießen auf die Kelten und drängten diese nach Westen. Von den
Kelten sind sie Germanen benannt worden. Was dieser Name be¬
deutet, ist noch immer nicht endgültig festgestellt, vielleicht Nachbarn.
Man darf annehmen, daß sich die Germanen zuerst im Osten
Europas, im heutigen Rußland ausbreiteten, von da aus die Donau¬
länder und Skandinavien in Besitz nahmen und zuletzt in das mittlere
Europa vordrangen. Sie waren in sehr viele einzelne Stämme ge¬
spalten, die kaum in Sprache, Religion und Sitte ihre Zusammen¬
gehörigkeit erkannten, die sich bald aus der Wanderung oder im Kriege
fester aneinander anschlossen, bald wieder trennten. Möglich, ja wahr¬
scheinlich ist es, daß die alten Deutschen nicht einmal einen gemein¬
schaftlichen Namen hatten, unter dem sie sich als Nation zusammen¬
faßten.
Gemeinsam war ihnen die Religion, die sie ohne Zweifel schon
aus ihrer asiatischen Urheimat mitbrachten, aber in ihren neuen Wohn¬
sitzen und auf ihren Wanderungen weiter ausbildeten. Wir würden
sehr wenig von den religiösen Vorstellungen unserer Vorfahren wissen,
wenn nicht die stammverwandten Normannen, die am längsten von
allen germanischen Völkern im Heidentum verharrten, dieselben in der
Edda und in den Sagas schriftlich aufbewahrt hätten. Denn die
römischen Schriftsteller (Cäsar, Tacitus) berichten nur ganz allgemein
davon, daß die Germanen die Sonne anbeteten oder bezeichnen die