Full text: Für Sexta und Quinta (Abt. 1, [Schülerband])

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zu erreichen. Hätten sie von seinen schönen Worten und Ver¬ 
tröstungen auf den nahen Frühling satt werden können, dann 
hätten sie reichliches Futter gehabt. Aber so wurden sie immer 
magerer, und der Knabe entschloß sich endlich, für sie zu tun, 
was er nicht einmal für seine Mutter getan hatte. 
4. Er ging zum Abt des naheliegenden Benediktinerklosters und 
bat, er möge ihm doch nur erlauben, das Heu aufzulesen, toelches 
die Klosterkühe unter den Barren und unter die Streu würfen. 
Und da der Abt den Knaben und seine Mutter wohl kannte und 
wußte, daß sie dessen bedürftig waren, gab er es gern zu und 
sagte: „Mein Söhnlein, du darfst alle Tage, wenn unsere Kühe 
zur Tränke getrieben werden, kommen und holen, was sie unter 
dem Barren liegen lassen, und wenn der Bruder Küchenmeister 
etwas übrig hat, so wird er es dir auch mitgeben für dich und 
deine Mutter." Dann segnete er ihn, und froh und getröstet 
ging der Knabe von dannen. 
5. In der Hütte der Witwe hatte die Not nun ein Ende. 
Bald kam auch der warme und freundliche Frühling. Die Witwe 
entdeckte wieder eine ergiebige Sandgrube, und ihr Benedikt trieb 
als gedungenes Ziegenhirtlein die Ziegen des Dorfes auf die 
hohen, luftigen Berge. An Unterhaltung fehlte es ihm auch auf 
den einsamen Höhen nicht. Da lag der damals noch unbenutzte 
Kalkschiefer so am Tage, daß es ihm leicht ward, Platten davon 
herauszuholen, aus denen er mit einem ganz kleinen Hammer 
regelmäßige Vierecke anfertigte. 
6. Was man nämlich oft so unrichtiger Weise Zufall nennt, 
führte den Knaben zu einer wichtigen Erfindung. Benedikt legte 
einmal eine Schieferplatte, wie er sie aus dem Boden gebrochen 
hatte, auf seinen Schoß, zeichnete mit einer Kohle von seinem 
Hirtenfeuer ein Viereck darauf und sprach bei sich: Wenn ich fünfzig 
solche viereckige Tafeln hätte, könnte ich unsere ganze Hausflur 
damit belegen, wo jetzt die Hühner scharren, wenn es draußen 
regnet. Und während er dies dachte, klopfte er mit seinem Häm¬ 
merlein auf dem einen schnurgeraden Kohlenstrich sanft auf und 
ab; denn er freute sich über den hellen Klang der Platte. Aber 
auf einmal wurden die hellen Töne dumpf und immer dumpfer, 
wie bei einer zersprungenen Glocke, und zuletzt sprang die Tafel 
gerade in der Richtung des Kohlenstriches mitten entzwei. Ist es
	        
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