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Deutschlands Einigung.
i.
Die halbe Einigung.
(Der preußisch-östreichische Krieg.)
1. Fünfzig Jahre waren seit dem Sturze Napoleons verflossen. In
Frankreich hatte im Jahre 1848 eine neue Revolution das
König'thum abermals abgeschafft und das Land in eine
Republik umgewandelt; doch hatte die letztere nur kurzen Be¬
stand. Der Neffe des großen Kaisers, Louis Napoleon, ahmte dem
Onkel nach; er schwang sich zum Präsidenten der Republik
empor, und nach kurzer Zeit (— im Jahre 1852 ) ließ er
sich als Napoleon lli. zum Kaiser der Franzosen wählen.
In Deutschland hatte sich der neugestiftete Bund wenig Freunde
erworben. Alle edlen deutschen Herzen trauerten über die Zerrissenheit
und Machtlosigkeit des Vaterlandes. Als darum im Jahre 1848
die französische Revolution ausbrach, pflanzte sich die Bewegung auch
nach Deutschland fort. Theils von edler Begeisterung, theils von Ehr¬
geiz, Eigennutz und andern schmuzigen Leidenschaften erregt, erhob
sich ein großer Theil des Volks; man wollte größere
Einheit und Freiheit erringen oder wohl gar die Repu¬
blik auch in Deutschland einführen. Aber der preu¬
ßische König Friedrich Wilhelm IV. nahm die ihm vorn
deutschen Volke angebotene Kaiserkrone nicht an, und in
blutigen Straßenkämpfen wurden die Aufständischen durch
Waffengewalt überwunden.
In Sachsen war der vielgeprüfte Friedrich ^August der
Gerechte nach 59 jähriger Regierung im Jahre 1827 gestorben.
Ihm folgte sein Bruder, der gütige Anton, ein Greis von
72 Jahren. Seit dem Jahre 1830 stand ihm sein Nesse,
Friedrich August, als Mitregent zur Seite, und im folgen¬
den Jahre 1831 erhielt Sachsen eine Constitution O Ver¬
fassung) , durch welche auch dem Volke der ihm gebührende Theil an
der Verwaltung des Staates gegönnt wurde. Anton starb im Jahre
1836, und nun bestieg der bisherige Mitregent als Fried¬
rich August II. den Thron. 18 Jahre regierte er in Segen, bis
ihn, fern von der Heimath, ein plötzlicher Tod dem Lande entriß. Auf
einer Reise in Tyrol, im Jahre 1854, wurde er bei einer
Wendung des Weges aus dem Wagen geschleudert und durch einen
Hufschlag des scheugewordenen Pferdes tödtlich verletzt; als Leiche
kehrte er zu seinem trauernden Volke zurück. Sein Tod riefseinen
Bruder Johann auf den Thron. Ihn schmückte außer der irdi¬
schen Krone noch eine höhere und schönere: die Krone der Weisheit,
Frömmigkeit und Treue. Der kenntnißreichste und gelehrteste aller