Full text: Bilder aus dem Weltkrieg (Teil 1)

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Die Kosaken des Aaren. 
belegt die halbverhungerten Gegenden mit „Einquartierung", bis die Steuern 
eingetrieben sind. Man läßt die „Ärmsten brandschatzen und ihren Geiz mit ' 
der Waffe des Friedens, der Nagaika, schlagen." 
Was die Kosaken im Kriege an Roheit leisten, das haben die Leidens¬ 
tage von Ostpreußen der ganzen Welt gezeigt. Es ist anzunehmen, daß sie 
von ihren Heerführern des öftern zum Plündern aufgefordert worden sind. 
Denn wie sollten sie sich sonst unterhalten, sind doch größere Abteilungen 
jener wilden Steppenvölker ohne jede Bagage ausgerückt. Zudem haben sie 
in ähnlicher Weise, wenn auch nicht so grausam, ihre eigenen Landsleute 
ausgeraubt. Nach Hermann Dreßler in: Wilhelm Köhler, „Die Kosaken des 
Zaren 1914—15."*) 
2. Schilderung. 
Die Kosaken haben für die offene Feldschlacht nur einen geringen Wert, 
jedoch für den Klein- und Vorpostenkrieg sind sie recht brauchbar. Sicherlich 
wird durch ihre große Zahl das russische Heer sehr verstärkt. Die Friedens¬ 
stärke beträgt 60 000 Reiter, die Kriegsstärke 200 000 bis 250 000 Mann, 
wenn alle Altersklassen zum Heeresdienst einberufen werden. Von größerer 
Bedeutung sind die in Petersburg und Moskau liegenden Leibkosaken-Regi- 
menter. 
Mit dem „Mein und Dein" hat es der Kosak nie sehr genau genommen. 
Das Plündern im Feindesland ist ihm von jeher als ein gutes Recht des 
Kriegers erschienen. Es wird auch nicht so bald gelingen, ihn in dieser Be¬ 
ziehung zu anderen Ansichten zu bekehren. Eigentlich grausam ist der Kosak 
aber nicht, vielmehr ist ihm in allen Lebenslagen eine gewisse Gutmütigkeit 
eigen. Erst der allzureichliche Schnapsgenuß, dem er leidenschaftlich ergeben 
ist, weckt seine rohen Naturtriebe und macht ihn zum Schrecken seiner Um¬ 
gebung. Sonst ist er gutmütig und gastfrei im höchsten Maße. Es gibt 
auch recht brave und wackere Burschen unter diesen mit vielen fremden Aben¬ 
teurern durchmischten Steppenstämmen. 
Namentlich als Diener oder Offiziersbursche ist der Kosak wegen seiner 
Findigkeit, Anstelligkeit und geradezu hündischen Treue unübertrefflich. Seine 
ausgesprochene Vorliebe für Kinder macht ihn sogar zum „Kindermädchen" 
vorzüglich geeignet. Ich habe lächeln müssen, wenn ich in russischen Garni¬ 
sonen diese kräftigen Kerle in ihrer kriegerischen Tracht Kinderwagen schieben 
und die kleinen Erdenbürger mit rührender Sorgfalt behüten und abwarten sah. 
Oft genug habe ich auf meinen Forschungsreisen im asiatischen Rußland 
die Gastfreundschaft der Kosakenposten in Anspruch nehmen müssen. Stets 
habe ich mich bei ihnen sehr wohl gefühlt, wenn wir bei der dampfenden Kohl¬ 
suppe oder der summenden Teemaschine saßen und sie dann ihre tief¬ 
empfundenen Lieder mit den weichen, einschmeichelnden Melodien sangen oder- 
gar ihre große Körpergewandtheit erfordernden Tänze in den schweren Juchten¬ 
stiefeln tanzten. 
*) Vaterländische Verlagsans.alt Wilhelm Köhler. Minden i W. Preis 1 M.
	        
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