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überall. Ein gemeinsames Deutschland gab es nicht mehr. Jeder Fürst
sorgte für sich und seinen kleinen Staat. Eine engherzige Kleinstaaterei
trat an die Stelle der geschloffenen kaiserlichen Macht. Ein andrer
Staat als Österreich mußte die Führung übernehmen, sollte sich
Deutschland wieder zu neuer Macht erheben. Diese Aufgabe fiel dem
mächtig ausblühenden brandenburgisch-preußischen Staate zu.
^3. Brandenburg-jDreußen seit der Reformation.
1. Joachim I. und Joachim II. Zur Zeit der Reformation
regierte über Brandenburg der fünfte der hohenzollernschen Kurfürsten,
Joachim I. Während seiner Regierung erwachte von neuem die
Raublust des Adels. Da er diesem Unwesen streng entgegentrat,
drohten ihm die Raubritter: „Jochimke, Jochimke, hüte dy; fange tut;
dy, so hange wy dy." Er aber ließ sich nicht einschüchtern, auch als
sie wirklich seinem Leben nachstellten, sondern ließ die Landschädiger
aufgreifen und hängen. Alle Einsprache gegen dieses Verfahren lehnte
er ab. „Ich habe," sagte er, „kein adliges Blut vergossen, sondern
nur Schelme, Räuber und Mörder hinrichten lassen. Wären dies
redliche Edelleute gewesen, so würden sie keine Verbrechen begangen
haben." Mit großem Eiser sorgte der kräftige Fürst für die Wohlfahrt
und Bildung seines Volkes; der Lehre Luthers war er dagegen ent¬
schieden abgeneigt. Ja es kam zwischen ihm und seiner Gemahlin
Elisabeth, die eine Anhängerin Luthers war, sogar zu schwerem
Zerwürfnis. Joachim war erbittert, daß Elisabeth das Abendmahl
unter beiderlei Gestalt genommen und sich dadurch von der katholischen
Kirche losgesagt hatte. Er wollte sie zum Widerruf zwingen. Da floh
Elisabeth aus dem Lande und wandte sich nach Sachsen, wo sie an
Luther einen Berater fand. Nach Joachims Tode wurde sie aber von
ihren Söhnen mit allen Ehren wieder ins Land zurückgeführt. Ihr Sohn
Joachim II. führte (1539) die Reformation in seinem Lande ein.
2. Vereinigung Brandenburgs und Preußens. Kurz vor dem
Dreißigjährigen Kriege bekam Brandenburg einen bedeutenden Zuwachs.
Der Kurfürst Johann Sigismund erwarb durch Erbschaft das
Herzogtum Kleve am Niederrhein nebst Mark und Ravensberg
in Westfalen, sowie im Osten das Herzogtum Preußen. Auch in dein
Ordenslande Preußen (s. Nr. 29,6) hatte (schon 1525) die Reformation
Eingang gefunden; der Hochmeister des Ordens Albrecht von
Brandenburg war zur evangelischen Kirche übergetreten und hatte