Full text: Erzählungen aus der Weltgeschichte

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waren noch beritten; über die gefallenen Pferde stürzten die Hungrigen 
her und verzehrten sie mit Gier. Fiel ein Soldat, so rissen ihm seine 
Kameraden die Kleider vom Leibe, um sich damit Hände und Füße zu 
umwickeln. Hatten sich die Halbersrornen ein Feuer angemacht, so 
jagten die Kosaken sie in die Flucht, oder man sand sie des Morgens 
als Leichen um die erloschne Glut geschart. Nur ein armseliger Nest 
entkam dem Verderben; bis auf einige tausend abgezehrte und zer¬ 
lumpte Krieger wurde die ganze Armee vernichtet. Das war das Ende 
des so stolz begonnenen Feldzuges. 
65. Der Befreiungskrieg. Preußens Erhebung. 
1. Der General von IJorfc. Preußen hatte Napoleon auf seinen 
Befehl ein Hilfsheer zum Kriege gegen Rußland stellen müssen. Dieses 
war aber nicht mit nach Moskau gezogen, sondern war in den russischen 
Ostseeprovinzen verwendet worden. Als sein Führer, der preußische 
General von Jork, von der Vernichtung der großen Armee hörte, 
wollte er seine Abteilung nicht ebenfalls dem Verderben aussetzen, 
sondern Preußen erhalten. Eigenmächtig schloß er mit den Nussenden 
Waffenstillstand bei Tauroggen (30. Dezember 1812), wo¬ 
nach er sich mit seinen Truppen parteilos halten sollte, bis die Ent¬ 
scheidung des Königs einträfe. Dann schrieb der unerschrockene Mann 
dem König: „Eurer Majestät lege ich willig meinen Kopf zu Füßen, 
wenn ich gefehlt haben sollte. Ich schwöre Eurer Majestät, daß ich auf 
dem Sandhaufen ebenso ruhig, wie auf dem Schlachtfelde, auf dem ich 
grau geworden bin, die Kugel erwarten werde." — Aber auch die 
Mahnung fügte er hinzu: „Jetzt oder nie ist der Moment, Freiheit, 
Unabhängigkeit und Größe wieder zu erlangen. In dem Ausspruche 
Eurer Majestät liegt das Schicksal der Welt." 
2. Der Aufruf des Königs von Preußen. Nun brach's los! 
Die Kunde vom Untergange der großen Armee in Rußland setzte ganz 
Europa in Bewegung. Gottes gewaltiger Arm war der Welt offenbar 
geworden. Jetzt schien für die unterdrückten Völker die Stunde ge¬ 
kommen, die Fremdherrschaft abzuwerfen. Vor allem in dem von 
Napoleon aufs härteste mißhandelten Preußenvolke durchglühte das 
Verlangen nach Befreiung alle Herzen. Der König Friedrich Wilhelm III. 
schloß mit dem Kaiser Alexander von Rußland einen Bund und erließ 
von Breslau aus einen Ausruf an sein Volk, die Waffen zu er¬ 
greifen (3. Februar 1813). „Es ist der letzte, entscheidende Kampf,"
	        
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