Object: Lehrbuch der deutschen Geschichte für Seminare und höhere Lehranstalten

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zwischen Verwandten ein großes Unrecht ist, an Ehre nachstehen wollte. 
Die größte Ehre ctljo, die höchste Macht schwebt noch um uns und nähert 
sich uns so, daß sie, wenn wir nur wollen, auf einem von uns ruhen 
bleibt. Drum will es mir scheinen, daß, wenn aus dem einen von uns 
die ganze Fülle der Ehre ruht, der andere auch nicht ohne einen gewissen 
Antheil an derselben Ehre bleibt. —■ Seien wir nun vorsichtig, ziehen wir 
nicht dem Blutsfreunde einen Fremden, nichts Ungewisses dem Gewissen 
vor, damit nicht der heutige Tag, der bis jetzt froh und glückverheißend 
war, uns langjähriges Unheil bringe, wenn wir die Gunst, die wir beide 
im großen Volke gefunden, untereinander verscherzen. Damit dies nicht 
meinerseits geschehe, so will ich dir, du liebster unter allen meinen Ge-. 
sippten, sagen, was ich von dir halte. Wenn ich erkenne, daß des Volkes 
Stimme dich will, dich zum Herrn und Könige begehrt, so werde ich durch 
keinerlei schlechte List ein solches Wohlwollen von dir abwendig machen, 
sondern ich werde dich vielmehr eifriger als die übrigen erwählen, weil ich hoffe, 
daß ich dir werther bin als die andern. Wenn aber der Herr mich fordert, 
so zweifle ich nicht, daß auch du nach Gebühr mir dasselbe thun wirst." 
Hierauf entgegnete der jüngere Konrad, daß er diesem ganzen Vor- 
schlage beistimme, und er versprach sest, er wolle dem andern als seinem 
Könige alle Treue erweisen, wenn man ihn zum Herrscher ausrufe. Bei 
diesen Worten neigte sich der ältere Konrad im Angesichte der Volksmenge 
ein wenig und küßte seinen Verwandten. Durch diesen Kuß wurde zuerst 
klar, daß jeder von beiden mit dem andern sich vereinigt habe. Dadurch 
ihrer Eintracht gewiß, setzten sich die Fürsten zusammen, und das Volk 
stand in großer Menge dabei. 
Da nun freute sich jeder, daß jetzt die Zeit es erlaubte, 
Offen zu sagen und laut, was lange im Herzen verborgen. 
Der Erzbifchof Arib o von Mainz, dessen Stimme den Vorrang vor 
allen übrigen hatte, rief, vom Volke um seine Meinung gefragt, mit über¬ 
schwellendem Herzen und freudiger Stimme und wählte den älteren Konrad 
zu seinem Herrn und Könige, zum Lenker und Beschützer des Vaterlandes. 
Ohne Zögern folgten diesem Ausspruche die übrigen Erzbischöse und die 
anderen Männer des geistlichen Standes. Der jüngere Konrad verhandelte 
ein wenig mit den Lothringern, dann kam er sofort zurück und wählte mit 
größtem Eifer jenen zum Herrn und Könige. Ihn ergriff der König bei 
der Hand und ließ ihn neben sich niedersitzen. Darauf wiederholten die 
Einzelnen aus den verschiedenen Landschaften immer wieder dieselben Worte 
der Wahl, das Volksgeschrei erhob sich, einmüthig stimmten alle den Fürsten 
in der Königswahl zu. Alle forderten Konrad den Aelteren, zu ihm hielten
	        
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