Full text: Erzählungen aus der deutschen Geschichte

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Wallenstein. Dieser Feldherr, deffen Name bald weit be¬ 
rühmt werden sollte, war von Geburt ein böhmischer Edelmann. 
Von Jugend auf hielt er sich zu hohen Dingen bestimmt. Dies 
meinte er in den Sternen gelesen zu haben; denn es herrschte 
damals vielfältig der Aberglaube, man könne aus der Stellung 
der Gestirne die künftigen Schicksale des Menschen erkennen. 
Als er in das kaiserliche Heer eingetreten war, schwang er sich 
durch Klugheit und Tapferkeit rasch empor. Der große Reich¬ 
tum, den er durch Erbschaft und Heirat gewonnen hatte, er¬ 
warb ihm Ansehen. Freigebig belohnte er die unter seinem 
Befehle stehenden Soldaten. Einmal stellte er dem Kaiser ein 
Regiment aus eigene Kosten. Zum Lohne dafür erhielt er die 
Herrschaft Friedland in Böhmen und wurde später sogar zum 
Herzog von Fried land erhoben. Jetzt trat er vor den 
Kaiser mit dem Anerbieten, ein ganzes Heer zu werben und 
zu unterhalten, wenn man ihm den unbeschränkten Oberbefehl 
über dasselbe geben wolle. „Wie kann," fragte man erstaunt, 
„ein einzelner, und wäre er auch noch so reich, ein Heer von 
20 000 Mann im Felde erhalten?" — „Das kann ich auch 
nicht," versetzte Wallenstein; „50000 Mann muß ich haben; 
die sind schon imstande, sich durch Brandschatzung durchzubrin¬ 
gen." Sein Vorschlag wurde angenommen. In kurzer Zeit 
hatte der Friedländer, wie man Wallenstein auch nannte, ein 
stattliches Heer aus den Beinen. Von allen Seiten strömten 
beutelustige Leute unter seine Fahnen. Bald zog er den Feinden 
entgegen. Je mehr er vorrückte, desto zahlreicher wurde seine 
wilde Kriegsschar. Kein Heer der Protestanten vermochte^ 
ihrem Ungestüm zu widerstehen. Der Dänenkönig, schon von 
Tilly geschlagen, floh erschreckt auf seine Inseln. Unter ent¬ 
setzlichen Verheerungen drang Wallenstein bis an die Küsten 
der Ostsee vor; ganz Norddeutschland wurde von seinen 
Scharen überschwemmt und ausgeplündert. Nur die Stadt 
Stralsund wagte es, dem Gewaltigen zu trotzen. Helden¬ 
mütig verteidigten die braven Bürger ihre Mauern monatelang 
gegen alle Angriffe. „Und wenn Stralsund mit Ketten an den 
Himmel gebunden wäre, es müßte herunter!" prahlte Wallen-
	        
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