Full text: Erzählungen aus der deutschen Geschichte

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als Nachfolger in der Kaiserwürde vor. Dann begab er sich 
in vollem Kaiserschmucke, die Krone auf dem Haupte, mit Lud¬ 
wig und der ganzen Versammlung in die Kirche, und kniete vor 
dem Altare, aus welchem eine goldene Krone lag, in stillem, an¬ 
dächtigem Gebete. Hierauf ermahnte er seinen Sohn mit lauter 
Stimme vor allem Volke, Gott zu fürchten und zu lieben, für 
die Kirche zu sorgen, sich gegen seine Schwestern allezeit gütig 
zu erweisen, sein Volk zu lieben wie seine Kinder, die Armen zu 
unterstützen, getreue und gottessürchtige Beamte anzustellen, 
sich selbst aber vor Gott und Menschen jederzeit unsträflich zu 
erhalten. „Willst du das alles erfüllen, mein Sohn?" fragte 
zuletzt der alte Kaiser. Ludwig versprach es mit Thränen. 
„Wohlan denn, so setze dir selbst die Krone auf, und stets möge 
sie dich an dein Versprechen erinnern." Er that es unter lautem 
Weinen des Volkes. Nicht lange danach ward Karl krank und 
starb. „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist!" 
waren seine letzten Worte. Im Dorne zu Aachen wurde er be¬ 
stattet. Man setzte den Leichnam auf einen goldenen Stuhl, 
hing ihm ein goldenes Kreuz und eine Pilgertasche um, schmückte 
sein Haupt mit der Krone, gab ihm einen Kelch in die Hand 
und legte ein goldenes Evangelienbuch auf feine Kniee. 72 Jahre 
war der Kaiser alt, als er starb; 46 Jahre hatte er regiert. 
16. Deutschland unter den Karolingern. 
1. Teilung des Frankenreiches (843). Unord¬ 
nung undZwietracht in Deutsch land. — Unter Karls 
Nachkommen, den Karolingern, wurde das große fränkische 
Reich bald in mehrere Teile zersplittert. Deutschland und 
Frankreich trennten sich für immer voneinander und bildeten 
eigene Staaten. In Deutschland herrschten die Karolinger nach 
Karls Tode noch beinahe 100 Jahre. Es war eine recht trau¬ 
rige Zeit. Den Königen gebrach es an der nötigen Herrschers rast ; 
mehr und mehr sank ihr Ansehen. An der Spitze der einzelnen 
Völkerschaften (der Sachsen, Franken, Schwaben, Bayern) er¬ 
hoben sich Herzöge, die ihre Macht immer zu vermehren 
suchten und dem Könige nicht gehorchen mochten. Daher riß
	        
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