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ob ein stürmendes Heer eine Stadt zerstöre,
ob ein spielendes Kind einen Käfer spieße,
ob ein Herrscher voll Hochmut nach Ländern hnngre,
ob mildes Mitleid ein Herz ermahne,
dem bittenden Bettler ein Brot zu bieten.
Auf diesem Stuhl im obersten Stockwerk
im sonnigen Saal zur Götterversammlung
saß der Beherrscher des hohen Himmels
und rings um ihn her, zum Rate berufen,
die Seligen sämtlich auf goldenen Sesseln.
Aus: „Die Nibelungen". Von Wilh. Jordan.
Vergleich: Wie sich unsre Vorfahren den Himmel dachten —
wie wir ihn uns denken. Was war bei unsern Vorfahren Be¬
dingung für die Aufnahme in den Himmel? Was bei uns? Was
ist schwerer? Sich selbst bekämpfen ist der schwerste Krieg.
Was sind wir also auch? Kämpfer, Streiter.
„Der vierte Tag der Woche ist der geweihte Tag Wodans —
bei den Engländern heißt dieser Tag noch heute Wednesday,
S. i. Wodanstag —, „zu Wintersanfang ist sein Fest, das zwölf
Nächte dauert." Das Fest der Wintersonnenwende oder Julsest.
Dann hielt Wodan seinen Umzug mit den Himmlischen; es brauste
der Sturm durch den Wald und machte die Bäume fruchtbar;
nichts Unheiliges durfte in diesen geweihten Nächten, wenn die
Himmlischen nahe waren, getan werden. Noch heute spielen die
Zwölfnächte im Volksglauben eine große Rolle: es darf keine
Wäsche getrocknet werden, man kocht keine Hülsenfrüchte u. a. An
die Stelle des Jnlfestes ist das christliche Weihnachtsfest getreten.
Vergleiche die Bedeutung des heidnischen Weihnachtsfestes
mit derjenigen des christlichen Weihnachtsfestes: dort Freude über
das wieder zunehmende Licht in der Natur, über den Sieg des
Lichtes über die Finsternis — bei uns Freude über das erschie¬
nene himmlische Licht, über den Sieg der Gnade Gottes über die
Macht der geistigen Finsternis, der Sünde.
Die Walküren brachten die in der Schlacht gefallenen Helden
nach Walhall. Wal ^ die Haufen der im Kampfe Erschlagenen,
also gefallene Helden; küren = wählen; Walküren also Jung¬
frauen, die die toten Helden für den Himmel auswählen;
Schlachtsungfrauen. (Hierzu Abbildung nach Ferd. Kellers Gemälde:
„Walkürenritt"; auch Leeke: „Wotan und Brünnhild".)
Lied der Walküre.
Froh sah ich dich aufblühn, du freudiger Held,
Lang folgt' ich dir schwebend und schweigend gesellt,
Oft küßt' ich des Schlummernden Schläfe gelind
Und leise die Locken, die dir wehen im Wind.
Tecklenburg, Der erste Geschichtsunterricht. 14