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es seien die germanischen Hülfstruppen, die Armin ihnen zuführen
wollte. Aber plötzlich wurde es ihnen klar, daß sie es mit
Feinden zu tun hatten; denn die Deutschen hatten den Paß von
Iburg gesperrt und waren bereit, die Römer zurückzuweisen. Zu
gleicher Zeit waren aber auch andere germanische Heerhaufen von den
Höhen über den Zug der Römer hergefallen, und auf der ganzen
Linie, wenigstens eine Meile lang, entspann sich das Gefecht. An
ein Umkehren war nicht mehr zu denken, und das römische Heer
mußte daher alle Schrecken des Kampfes über sich ergehen lassen.
Rechts von den Bergen stürzten die Feinde fortwährend in Masse
auf die Römer herab, welche in getrennten Gliedern und in un¬
ordentlichem Zuge weiterrückten. Dabei war das Wetter fürchterlich.
Regen und heftiger Wind drang auf die Römer ein. Der Boden
war schlüpfrig, die Wurzeln und Stämme der Bäume hinderten,
so daß man nur mit der größten Mühe ausschreiten konnte, und
bei dem Sturm, der sich erhoben hatte, wurden die Zweige der Bäume
so erschüttert, daß alle Augenblicke dürre Äste von den mächtigen
Stämmen niederstürzten und unter den Soldaten Schrecken und
Verwirrung verbreiteten. Den Paß von Iburg zu stürmen, dursten
die Römer kaum wagen. Von allen Ecken und Enden, selbst auf Fuß-
pfaden durch das dichteste Gehölz strömten die Deutschen hier zu¬
sammen; sie hätten den Römern schon hier den Untergang bereiten
tonnen; aber es kam die Nacht. Varus schlug ein Lager1) auf, ver¬
brannte Wagen und Gepäck und setzte am folgenden Tage seinen
Marsch in westlicher Richtung fort. Über eine baumlose Ebene hinweg,
gerieten die Römer auss neue in enge Waldschluchten. Moräste
sperrten den Weg. Weder vorwärts konnten sie dringen, noch sich
sammeln, noch Halt machen. Es mußte ein Lager aufgeschlagen
werden. Aber auch das konnte die Römer nicht retten. Varus-
sah seinen Untergang vor Augen und gab sich selbst den Tod.
Andere taten dasselbe, damit sie nicht dem Feinde in die Hände
fielen. Der Rest des Heeres hatte sich in das Lager2) zurück¬
gezogen. Wie lange die Belagerung dauerte, wird uns nicht mit¬
geteilt. Armin ließ die Häupter derer, die er bei der Belagerung
erschlagen hatte, auf Lanzen stecken und an den Wall der Feinde
tragen, um dieselben zur Übergabe zu bestimmen. Auch wird be¬
richtet, die Deutschen hätten vor dem Lager Holz aufgeschichtet,
um die Befestigungen der Römer in Brand zu stecken, was aber
durch eine List seitens der Römer verhindert sei. Das Lager wurde
dann von den Deutschen im Sturm genommen und geplündert, und
*) Die Spuren des Lagers vor dem Jburger Passe hat Knoke auf¬
gefunden. S. Knoke, „Das Varuslager bei Iburg". Berlin 1900.
2) Die Reste dieses Lagers sind nach Knoke, „Das Varuslager im
Habichtswalde bei Stift Leeden" von dem Verfasser der Schrift im Jahre
1896 an der bezeichneten Stelle wieder aufgefunden worden.