82 Die Reformation.
so greulichen Vorgängen führen konnte, und wo selbst ein Fürst von Joachim's
Gerechtigkeitssinn, Befangen von dem allgemeinen Vorurtheil der Zeit, seine
Strenge zu solcher grauenvollen Verurtheiluug gebrauchen ließ. Glücklicher
Weise war so eben die Zeit angebrochen, wo das wieder aufgehende Licht ächt
evangelischen Glaubens allmälig auch eine mildere Gesinnung wahrer christ¬
licher Liebe zur Herrschaft gelangen ließ, und wo mit der Gewalt des Aber¬
glaubens auch die Greuel religiösen Fanatismus schwanden. Schon war in
der nächsten Nachbarschaft der Marken, in Wittenberg, der Stern reineren
Glaubens aufgegangen; bald sollten seine Strahlen auch in ^as Land der
Hohenzollern dringen.
12. Die Reformation.
Die Bedeutung der Reformation für den preußischen Staat. Die
Kirchenverbesseruug, welche am Beginn des sechszehnten Jahrhunderts unter
Gottes Beistand durch Dr. Martin Luther ausgeführt wurde, ist, wie für
die ganze Christenheit, so noch in einem ganz besonderen Sinne für das
preußische Volk ein Ereigniß von der durchgreifendsten Bedeutung geworden.
Die ganze Stellung, welche Preußen unter deu deutschen und europäischen
Staaten erhalten hat, beruht zum großen Theil auf feiner Entwickelung als
einer der vorzüglichsten protestantischen Staaten. Seitdem Kursachsen,
welches zuerst an der Spitze der protestantischen Länder Deutschlands stand,
es geschehen ließ, daß diese seine bedeutsame Rolle an Preußen fiel, seitdem
hat Preußen seine Stellung als hauptsächlicher Pfleger und Hort des Pro¬
testantismus in Deutschland immer ernster erfaßt, und eben dies ist zugleich
eine der hauptsächlichsten Grundlagen seiner Macht und seines Einflusses
überhaupt geworden.
Auch vor der Reformation war das Ansehen derbrandenburgischen Kur¬
fürsten zwar schon bedeutend gestiegen, und keiner unter den Reichsfürsten
that es im fünfzehnten Jahrhundert den hoheuzollernschen Fürsten an Einfluß
zuvor; aber bis dahin beruhete dieser Einfluß besonders auf den persön¬
lichen Eigenschaften der Regenten und auf den großen Diensten, welche sie
den Kaisern leisteten, nicht auf einer inneren nothwendigen Bedeutung ihrer
Stellung als brandenburgischer Fürsten. Durch die Reformation dagegen,
welche eine Spaltung Deutschlands nach dem religiösen Bekenntniß zur un¬
vermeidlichen Folge hatte, geschah es, daß Brandenburg nach und nach eben
an die Spitze der einen konfessionellen Gruppe trat, und hierdurch eine er¬
hebliche Wichtigkeit, auch abgesehen von den besonderen Fähigkeiten der ein¬
zelnen Kurfürsten, erwarb. Dazu kam, daß das brandenburgisch - preußische
Volk selbst durch die Reformation auf die Bahn einer neuen geistigen Ent¬
wickelung geführt wurde, welche demselben eine hervorragende Geltung unter
den deutschen Stämmen und unter den Völkern Enropa's sicherte. Die Re¬
formation und das protestantische Bekenntniß Preußens haben unsern Staat
und unser Volk recht eigentlich zu dem gemacht, was sie geworden sind, der
Protestantismus ist ein Lebensprincip Preußens, als deut¬
scher und'europäischer Großmacht, geworden.
Das brandenburgische Volk war so ziemlich als das letzte unter den