fullscreen: Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt

3-18 XIX. §. 13. Ludwig der Fromme (814—840) und Anschar. 
Es ist nur noch ein Mann aus der Weltgeschichte bekannt, dem 
Gott der Herr eine ähnliche Ausgabe gestellt hatte, wie Karl dem 
Großen, und der sie mit gleichem Erfolge löste. Das ist, wie wir auch 
früher schon darauf aufmerksam gemacht haben, Alexander der Große 
(vgl. S. 140 ff.). Viele andere ausgezeichnete und ruhmvolle Männer hat 
es gegeben und große Thaten haben sie gethan, sei es auf dem Gebiet 
der Staatskunst oder der Wissenschaft, mit der Feder oder mit dem' 
Schwert. Aber so tief in das Völkerleben eingegriffen, so der ganzen 
Zeit ein neues Gepräge aufgedrückt, so der geschichtlichen Entwicklung der 
Menschheit eine neue und entschiedene Richtung gegeben, so selbstbewußt 
und klaren Auges ein bestimmtes, neues, großes Ziel verfolgt und er¬ 
reicht haben nur diese beiden Männer Alexander und Karl. WaS 
keinem Zeitgenossen oder Vorgänger hatte gelingen wollen: die Ver¬ 
mischung und Durchknetung zweier völlig verschiedener und sich fremd 
gegenüberstehender Völkermassen, das gelang Alexander, da er die 
Griechen unter die Orientalen mischte, das gelang Karl, da er die 
Germanenkrast auf die altrömische Bildung pfropfte, sie unter die Zucht 
der römischen Kirche zwang. Wohl ist und bleibt es unmöglich, daß 
Thon und Eisen zu einer neuen wohlzusammenhängenden Masse völlig 
in einander geschweißt werden. Aber soweit solche verschiedene, sich 
fliehende Bestandtheile mit einander verbunden werden können, ist eS 
durch die genialen Veranstaltungen, durch die praktische Tüchtigkeit und 
eiserne Consequenz der beiden großen Männer geschehen. Durch Alexan- 
der's Wirksamkeit begann die nähere und letzte 300jährige Bereitung 
der orientalischen und griechischen Völker zur Aufnahme des Christen¬ 
thums. Mit Karl's langjähriger und glänzender Regierung begann 
die langsamere weil schwerere 700jährige Bereitung des germanischen 
Volks zur Aufnahme des biblischen, des gereinigten, des evangelischen 
Christenthums. In ihrem Charakter, in ihrem Wesen, in ihrer äußern 
Erscheinung, wie viel Aehnlichkeit bieten beide Männer, wie ist der 
Seelenadel ihrer ganzen Persönlichkeit so sichtbar aufgedrückt, nur mit 
dem Unterschiede, Alexander war ein heidnischer Grieche und Karl 
ein germanischer Christ. 
§. 13. Ludwig der Fromme (814 — 840) und Anschar, der 
Apostel des Nordens (865). 
Die schwächliche Regierung von Karl'S einzig überlebendem 
Sohn und Nachfolger Ludwig dem Frommen (814 — 840) machte 
den Verlust des großen Kaisers um so empfindlicher. Er war ein 
undeutscher, von aquitanisch-römischen Einflüssen ganz beherrschter 
Mann, voll guten Willens, die Kirche zu fördern und die Geistlichkeit 
zu stützen und ehren; aber ohne Kraft und ohne Weisheit. ES ist 
wahr, die Kirche hat seinem persönlichen Eifer alle Gerechtigkeit 
widerfahren lassen, indem sie ihn den Frommen hieß. Allein in Wirk¬ 
lichkeit vermochte er durchaus nicht, sie auch nur bei ihren Rechten 
und Besitzungen zu schützen. Der unselige Krieg wider seine eignen
	        
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