Full text: Geschichte des preußischen Vaterlandes

Derfslinger. 157 
weil ihn der Gedanke quäle, ob er wohl in der Welt noch ein General werden 
möchte. „Ach was!" rief der Andere, „lieg und schlaf! ein Lumpenhund magst 
Du wohl noch werden, aber kein General!" Dreißig Jahre nachher, als er 
schon Feldmarschall war, kam er in ein Städtchen, wo der Name des Bürger¬ 
meisters ihn an jenen Kameraden erinnerte. Er fuhr sogleich vor dessen Woh¬ 
nung, und als derselbe eiligst mit der Mütze in der Hand hervorstürzte, rief 
Derfslinger, ihn auf den ersten Blick wiedererkennend, mit starker Stimme: 
„Kamerad, kennen wir uns wohl noch?" — „Ja," erwiderte der Bürger¬ 
meister mit Zögern. — „Und wie ist's mit der Prophezeihuug geworden?" 
fuhr Derfslinger fort, indem er ihm die Worte jener Nacht zurückrief. Der Bür¬ 
germeister entschuldigte sich, nach so langer Zeit könne er sich der Worte, 
die er damals gebraucht, so genau nicht mehr erinnern, bäte aber um Ver¬ 
zeihung, wenn unter ihnen als Zeltkameraden damals so Etwas vorgekommen. 
„Wenn's einmal Lumpenhund sein muß," rief Derffliuger, „so mag's drum 
sein; aber wer ist denn nun der größte geworden, ich oder Du?" Der Bür¬ 
germeister wußte sich in seiner Verwirrung kaum zu fassen, der Feldmarschall 
aber sprang aus dem Wagen, umarmte ihn brüderlich, klopfte ihm auf die 
Schultern und sagte, ob er was Gutes zu essen habe? Jener antwortete: 
Schinken, geräucherte Würste, Fische und Krebse habe er im Hause. „Und 
ich," sagte Derffliuger, „habe guten Rheinwein bei mir." Und so gingen sie 
zusammen hinein, aßen und tranken vergnügt mit einander und unterhielten 
sich mit alten Schnurren und Streichen aus jener frühen Zeit. 
Derfflinger lebte seine letzten Jahre im Schooße seiner Familie, jeder 
Sorge enthoben, in stillem Frieden. Man erzählt, daß er einst an der Wiege 
des Kurprinzen, nachherigen Königs Friedrich Wilhelm des Ersten, stand, 
ganz in Betrachtung versenkt. Der Kurfürst fragte ihn: „Nun, alter Derff¬ 
linger, was denkt Er denn so nach?" Der Feldmarschall fuhr auf, war zuerst 
etwas verlegen, faßte sich aber gleich und sagte mit munterer Geradheit: 
„Indem ich den Prinzen ansah, dachte ich mir und sagte im Stillen zu ihm: 
Dein Großvater hat mich gehudelt, Dein Vater hat mich gehudelt, aber Du 
wirst mich wohl ungehudelt lassen." Der Kurfürst lachte und ließ es gut sein. 
Derfflinger war übrigens ein Mann von aufrichtiger Frömmigkeit, der pro¬ 
testantischen Glaubenslehre eifrig ergeben: er ließ sich in seinen letzten Lebens¬ 
jahren aus dem trefflichen Erbauungsbuche Johann Arud's „wahres Christen¬ 
thum" fleißig vorlesen. An Altersschwäche starb er am 4. Februar 1695 im 
neunzigsten Lebensjahre. 
22. Der schwedisch-polnische Lrieg; das Her^ogthum Preußen 
rvird unabhängig von Polen. 
Ausbruch des schwedisch-polnischen Krieges; des Kurfürsten Po¬ 
litik. Das Heer, welches Friedrich Wilhelm mit Anstrengung aller Kräfte 
seines Landes gebildet unb vermehrt hatte, fand sehr bald Gelegenheit, seine 
Tüchtigkeit zu erproben: im Jahre 1654 brach ein Krieg zwischen Schweden 
und Polen aus, welcher für den großen Kurfürsten nicht gleichgültig bleiben 
konnte, vielmehr auf das Schicksal seiner Staaten einen großen Einfluß übte. 
Der Klugheit und Umsicht, womit Friedrich Wilhelm sich während dieses
	        
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