Full text: Geschichte des preußischen Vaterlandes

Müller Arnold. 321 
dem gerechten Richterstuhle Gottes zu verantworten, damit die Seufzer der 
Wittwen und Waisen, auch anderer Bedrängten nicht auf ihr und ihrer Kinder 
Haupt kommen mögen. — Sie sollen auch auf keine Rescripte, wenn sie schon 
aus unserem Cabinette herrühren, die geringste Reflexion machen, wann darin 
etwas wider die offenbaren Rechte subrepiret worden, oder der strenge Lauf 
Rechtens dadurch gehindert oder unterbrochen wird, sondern sie müssen nach 
Pflicht und Gewissen weiter verfahren." Ganz besonders wurde noch einge¬ 
schärft, daß die Richter bei Streitigkeiten zwischen Privatpersonen und dem 
Staate lediglich das beschworene Recht und nicht etwa eine Rücksicht auf den 
König obwalten lassen sollten. Ja, Friedrich ging so weit, etwaige Macht¬ 
sprüche, zu denen er sich selbst vielleicht gegen den gesetzlichen Gang der 
Rechtspflege verleiten lassen möchte, im Voraus ungültig zu erklären. 
Es war früher in der That ein großer Uebelstand gewesen, daß die 
Fürsten öfter durch selbstständige Entscheidungen in den geordneten Lauf der 
Justiz eingegriffen hatten; nicht blos das Recht der Begnadigung, welches 
eines der schönsten und edelsten Privilegien der Krone ist, hatten sie aus¬ 
geübt, sondern auch willkürlich Strafen geschärft oder verändert. Davor wollte 
Friedrich seine Unterthanen und sich selbst künftighin bewahren, — und er 
hatte guten Grund, seiner eigenen Willensstärke nicht ganz und gar zu ver¬ 
trauen ; denn im Eifer für das, was er für Recht hielt, und im Aerger über 
vermeintliche Ungerechtigkeit seiner Richter gegen arme Leute zu Gunsten 
der Vornehmen ließ er sich dennoch auch später noch zu einzelnen willkür¬ 
lichen Schritten hinreißen. Am berühmtesten ist die Müller Arnold'sche Sache 
geworden. 
Der Müller Arnold besaß in der Neumark eine Mühle, für welche er 
dem Grafen von Schmettan eine jährliche Erbpacht zu bezahlen hatte. Er 
blieb mit dieser Zahlung im Rückstände unter dem Vorwande, daß durch die 
Anlage eines Teiches, den ein anderer Gutsbesitzer oberhalb der Mühle hatte 
graben lassen, ihm das Wasser und daher aller Betrieb entzogen sei. Graf 
Schmettan klagte, der Müller wurde zur Zahlung verurtheilt, und da er diese 
nicht leistete, seiner Mühle durch gerichtlichen Verkauf verlustig gemacht. 
Mit allen weiteren Beschwerden abgewiesen, wandte er sich zuletzt an den 
König, welcher sich die Sache durch einen seiner Offiziere, zu dem er großes 
Vertrauen hatte, vortragen ließ. Dieser, der rechtlichen Verhältnisse nicht 
ganz kundig, war der Ansicht, daß dem Müller Unrecht geschehen sei. Auf 
seinen Rath verwies der König die Sache nun an das Kammergericht in 
Berlin mit dem Befehle, den Proceß schleunig zu Ende zu führen. Aber auch 
das Kammergericht bestätigte alle früheren Entscheidungen. Nun meinte 
Friedrich, daß die Richter nur dem Adeligen zu Gunsten ihr Urtheil gesprochen 
hätten und überdies seinem auf Unparteilichkeit gerichteten Willen zu trotzen 
versuchten. Gegen solches parteiisches und trotziges Wesen wollte er ein für 
alle Mal ein warnendes Beispiel aufstellen. Er ließ den Großkanzler von 
Fürst mit den drei Räthen, welche die Sache entschieden hatten, vor sich kom¬ 
men ; sie fanden ihn in seinem Zimmer, durch starkes Podagra gerade in be¬ 
sonders gereizter Stimmung. Mit heftigen Worten hielt er ihnen ihr Be¬ 
nehmen vor, sowie es ihm erschienen war. „Sie müßten wissen," sagte er, 
„daß der geringste Bauer und Bettler ebensowohl ein Mensch sei, wie der
	        
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