Full text: Geschichte des preußischen Vaterlandes

366 Lombard und Haugwitz; Lombard's Gegner; neuer Gewaltftreich Bonaparte's. 
wirklich die Ansicht aufstellte, daß Preußen durch den Anschluß an Frankreich 
nach Vergrößerung streben und im Gefolge des französischen Eroberers die 
Beute erhaschen müsse, welche er für seinen Bundesgenossen abfallen lasse. 
An der Spitze der so Gesinnten stand der Cabinetsrath Lombard. Er ge¬ 
hörte zur französischen Colonie in Berlin, welche lange Zeit für eine Pflanz¬ 
schule der Diplomaten galt; er besaß Geist, lebhaften Verstand, gründliche 
Kenntniß der alten und der französischen Literatur, Dichtertalent und große 
Gewandtheit im Arbeiten, aber sein Leichtsinn, seine liederlichen Sitten be¬ 
raubten ihn jeden inneren Haltes, er war weichlich, schlaff, genußsüchtig, ohue 
Unternehmungsgeist und ohne wahren Ehrgeiz. Ein festes politisches System 
ließ sich von einem solchen Manne nicht erwarten, und weil ihm von franzö¬ 
sischer Seite sehr geschmeichelt, vielleicht auch geradezu Geldmittel zur leich¬ 
teren Durchführung seines ausschweifenden Lebens geboten wurden, ließ er 
sich ganz für das französische Interesse gewinnen. Er beherrschte seinerseits 
wieder den Minister Grafen von Haugwitz, einen Mann, der eben so 
wenig Festigkeit der Gesinnung und des Charakters besaß, und mit Lombard 
durch ein gleich genußsüchtiges Lebeu genau verbunden war. 
Die Königin Luise und alle Prinzen des königlichen Hauses, besonders 
der ritterliche (leider dabei sehr leichtsinnige) Prinz Louis Ferdinand, 
waren gegen Lombard eingenommen, ebenso eine Anzahl von tüchtigen Staats¬ 
männern und Militärs, vor Allem Stein und Hardenberg und die 
Generale Blücher uud R ü ch e l; sie Alle aber vermochten sürerst mit ihren 
Rathschlägen beim Könige nicht dnrchzndringen, wiewohl derselbe sich eben so 
wenig von der anderen Seite zu einem entschiedenen Bündnisse mit Frankreich 
fortreißen ließ. Als Bonaparte ein Bündniß geradezu anbot, wurde zwar 
Lombard zu ihm nach Brüssel geschickt, von wo er höchst entzückt von den Ge¬ 
sinnungen des ersten Eonsnls und voll Bewunderung für seinen Geist zurück¬ 
kam, — aber bald darauf erklärte der König, daß er ein eigentliches Bündniß 
nicht für nöthig halte, dagegen einen Neutralitätsvertrag abschließen wolle. 
Hierüber waren die Verhandlungen noch im Gange, als Bonaparte durch 
einen neuen Gewaltstreich das Rechtsgefühl Friedrich Wilhelm's verletzte. 
Unter dem Vorwande, daß der bourbouifche Prinz Herzog von Enghien 
um ein in Frankreich entdecktes Eomplot gewußt habe, ließ Bonaparte den¬ 
selben plötzlich auf deutschem Gebiete ergreifen, nach Vincennes bringen und 
kriegsrechtlich erschießen. Diese That erregte in Berlin, wie anderwärts, 
den größten Unwillen; besonders hielt die edle Königin den Ausdruck ihrer 
tiefen Entrüstung nicht zurück, der französische Gesandte sah sich bei den Hof¬ 
zirkeln überall gemieden, und der König ließ die Verhandlungen mit Frank¬ 
reich ins Stocken gerathen. Zwar wurden dieselben nachher wieder aufgenom¬ 
men und Friedrich Wilhelm trug auch kein Bedenken, die von Napoleon Bo- 
naparte am 4. Juni 1804 angenommene Kaiserwürde sofort anzuerkennen, 
aber sein Vertrauen zu dem französischen Gewalthaber war seit jener Zeit 
tief erschüttert und ist nie wieder zurückgekehrt. Dieser Sinnesänderung 
entsprach es auch, daß er den für Napoleon gestimmten Minister Haugwitz 
entließ und an dessen Stelle den Minister von Hardenberg, der mehr 
zu England sich hinneigte, mit der Leitung der auswärtigen Angelegenheiten 
beauftragte.
	        
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