Deutschlands Friedenspolitik. 717
darniederlag und im Frieden von San Stefano Zugeständnisse an Ru߬
land gemacht hatte, welche die Interessen der anderen Großmächte zu ver¬
letzen schienen, wäre es beinahe zum Kriege zunächst zwischen England
und Rußland gekommen, wenn nicht nach beiden Seiten ein mäßigender
und vermittelnder Einfluß namentlich von Seiten der deutschen Politik
geübt worden wäre. Auf den Vorschlag Oesterreichs trat schließlich ein
Congreß in Berlin zusammen, um den Frieden zwischen Rußland
und der Türkei mit früheren Bestimmungen unb den Interessen aller
Großmächte in Uebereinstimmung zu bringen. Kaiser Wilhelm lag bamals
krank darnieder, in seinem Namen begrüßte ber Kronprinz (13. Juli
1878) ben Congreß bnrch solgenbe Ansprache: „Der in Berlin versammelte
Congreß hat seine Arbeiten bamit eingeleitet, baß er Wünschen für die
Wieberherstellung Sr. Majestät bes Kaisers, meines erhabenen Vaters,
Ausbruck gab. Ich banke ben Vertretern ber Mächte für bieses Zeichen
von Sympathie. Im Namen meines erhabenen Vaters äußere ich ben
Wunsch, ihre Bemühungen bnrch ein Einverstänbniß gekrönt zu sehen,
welches bas beste Unterpfanb für ben allgemeinen Frieben
fein wirb."
Der Congreß erlebigte seine schwierige Arbeit in einem Monat unter
bem fortwährenden vermittelnben unb versöhnlichen Einfluß bes Fürsten
Bismarck, welcher bie von ihm selbst so bezeichnete Rolle bes „ehrlichen
Maklers" zwischen ben Mächten erfolgreich unb zu großer Ehre Deutsch-
laubs durchführte. Am 15. Juli würbe benn ber Friebe von Berlin
geschlossen, nach bessen erstem Satz sämmtliche Mächte von bem Wunsche
beseelt waren, bie im Orient hervorgerufenen Fragen in bem Geiste einer
festen europäischen Ordnung in Gemäßheit der Bestimmungen des Pariser
Vertrages vom 30. März 1856 zu regeln.
Das Ansehen der deutschen Politik wurde durch den Berliner Ver¬
trag, welcher seitbem eine der Grunblagen bes Völkerrechts bilbet, noch
erhöht, der Drei-Kaiser-Buud selbst noch befestigt und erweitert. Der
enge Zusammenschluß der deutschen unb russischen Regierung würbe von
ben Feinben der Friebenspolitik vergebens benutzt, um in Oesterreich Mi߬
trauen unb Feinbfchaft gegen Rußland» zu schüren, bie Folge war nur ber
noch möglichst engere Anschluß Oesterreichs an Deutschland, — aber nicht
im Gegensatz, sonbern gerade im Zusammenhange unb im Geiste des alten
Drei-Kaiser-Bunbes. Durch ben offenen Zutritt bes Königreichs Italien
unb bie entschiedene Annäherung Spaniens und mehrerer der Donau¬
staaten zu der von Deutschland besonders betriebenen Friedenspolitik er¬
hielt diese einen erweiterten Wirkungskreis und mit Ausnahme Frankreichs
erkannten alle Mächte, selbst England gern das Uebergewicht Deutschlands
in der europäischen Politik an. Im richtigen Moment faßte Deutschland
selbst in Westafrika Fuß und wußte durch seine Colonialpolitik selbst die
Gemeinschaft mit Frankreich zunächst aus einem wichtigen Gebiete zu
gewinnen. Wenn es nach dem heißen Wunsche Kaiser Wilhelms geht,
so bringen uns schon die nächsten Jahre die volle Versöhnung mit Frank¬
reich und hierin die höchste Bürgschaft des Friedens.