Full text: Völkerwanderung und Frankenreich (H. 7)

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sich aus den (Berichten der Platte nehmen sonnte, ohne von der Sessel- 
reihe aufzustehen. Und zuerst trat herein der Truchseß des Rttila; er 
trug eine Tafel voll Fleisch, und die Diener, welche allen aufwarteten, 
setzten nach ihm Brot und Zukost auf die Tische. Den andern Barbaren 
und uns wurden leckere (Berichte zugerichtet, welche auf silbernen Schei¬ 
ben lagen, für den Rttila aber lag auf der hölzernen Tafel nichts als 
Fleisch. Mäßig erwies er sich auch in allem übrigen, denn den Männern 
des Mahles wurden goldene und silberne Becher gegeben, sein Trink¬ 
gefäß war von holz. Schlicht war auch sein (Bewand, es zeigte feine 
andere Sorgfalt, als daß es rein war - auch sein umgegürtetes Schwert 
und die Bänder der Barbarenschuhe, auch das Geschirr des Rosses waren 
nicht, wie bei den übrigen Skythen, mit Gold oder Steinen oder andern 
Kostbarkeiten geschmückt. Und als die Speisen des ersten (Banges ver¬ 
zehrt waren, standen wir alle auf, und nicht eher kam der Stehende in 
den Sessel, als bis nach der früheren Reihenfolge jeder einen vollen 
Becher wein, der ihm gereicht wurde, austrank und für Rttila heil er¬ 
flehte. Rls er auf diese Weise geehrt war, faßen wir nieder, und jedem 
Tisch wurde die zweite Tafel ausgesetzt, welche andere (Berichte hatte, 
nachdem sich alle auch von diesen bedient hatten, standen wir auf die¬ 
selbe weise auf, tranken wieder aus und setzten uns. Rls es Rbend wurde, 
zündete man Fackeln an, und zwei Barbaren, welche dem Rttila gegen¬ 
übertraten, sagten selbstverfaßte Lieder her, worin sie seine Kriegs* 
tagenden und Siege befangen. Ruf die Sänger schauten die Gäste, die 
einen freuten sich über die Gedichte, die andern dachten an ihre Kämpfe 
und wurden begeistert, manche aber weinten, denen durch die Zeit der 
Leib kraftlos geworden war und der wilde Mut zur Ruhe gezwungen. 
Rach den (Besängen trat ein narr ein, welcher Seltsames, Un¬ 
sinniges und Rlbernes herausstieß und aller Gelächter erregte, nach 
ihm erschien Zerkon, lächerlich durch seine Häßlichkeit und sein Stammeln, 
denn er war zwerghaft, buckelig, krumm von Beinen, mit einer Hase, die 
so aufgestülpt war, daß man sie kaum vor den nafenlöchern sah. (Er er¬ 
regte bei allen burch Aussehen, Tracht, Stimme unö öie zusammengestöp¬ 
pelte Reöe, welche Lateinisch, hunnisch und Gotisch durcheinander mengte, 
ein unauslöschliches Gelächter, nur dem Rttila nicht. Denn dieser blieb 
unverändert und sein Rntlitz ohne Bewegung, und weder im wort noch 
im Tun zeigte er Heiterkeit, außer daß er den jüngsten feiner Söhne, 
als dieser eintrat und zu ihm kam, an der Wange zog und mit freund¬ 
lichen Rügen anblickte. Rls ich mich aber wunderte, daß er die andern 
Kinder nicht beachte und für dieses neigung habe, erzählte mein Tisch¬ 
nachbar, ein Barbar, welcher der lateinischen Sprache kundig war und 
mich zuvor ermahnt hatte, nichts von seinen Reden weiter zu sagen, 
bafj die Wahrsager dem Rttila verkündet hätten, sein Geschlecht werde 
herunterkommen, durch diesen Sohn aber wieder erhöht werden. Rls 
Quellensammlung 1,7: Rüljlmann, vom Beginn b. Völkerwanderung bis 911 2
	        
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