Full text: Bilder deutscher Kultur und Geschichte

G4 
Jeder ältere Handwerksmann wußte damals, daß sein Handwerk 
seit Menschengedenken große Veränderungen erfahren hatte. Überall 
größere Kunst und Reichlichkeit des Lebens, neue Handwerke waren 
entstanden, unaufhörlich änderte die Mode. Ans dein alten Hand¬ 
werke der Eisenschmiede waren wohl zwölf jüngere gekommen, vom 
Sarwürker. der die Kettenpanzer verfertigte, bis zum Nestel- (Heftel-) 
irmeher’. Tie Riemer, Sattler und Beutler hatten sich getrennt, 
und die Beutler verfertigten Handschuhe und zierliche Ledertaschen 
für die Frauen und parfümierten sie mit Ambra; die Glaser, sonst 
geringe Werkleute, waren hoch heraufgekommen, sie verstanden durch¬ 
sichtiges Glas in den schönsten Farben zu verfertigen, sie setzten 
diese Farben kunstvoll in Blei zu Bildern zusammen, malten Ge¬ 
sichter und Haare, schattierten die Gewänder mit dunkler Farbe und 
schlissen helle Stellen aus. Tie Schneider, eine sehr wichtige und 
ansehnliche Innung, waren zumeist durch die Mode geplagt, schon 
damals war Klage, daß ein Meister, der im vorigen Jahre noch 
zur Zufriedenheit gearbeitet hatte, jetzt gar nichts mehr galt, weil 
er die Kunst der neumodischen gerissenen und geschlitzten Kleider 
nicht verstand. Sogar die Schuster waren sehr kunstreich geworden, 
ihr Handwerk war schwierig, sie hatten Schnabelschuhe zu nahen 
von buntem Leder, deren Spitzen sich zuerst etwas in die Höhe 
erhoben und dann wie der Kamm eines Lrnthahns hinabhingen. 
Es war Rittertracht, der Rat wollte für die Bürger nur geringe 
Länge der Schnäbel zulassen, aber das war vergeblich, die Zier¬ 
lichkeit war nicht aufzuhalten. Auch die Schuster hatten sich geteilt, 
wer moderne (Schuharbeit von bnntem Leder verfertigte, nannte sich, 
nicht überall, ober z. B. in Bremen: Kordnaner, die anderen hießen 
schwarze Schuhmacher, sie hatten wieder die Altbüßer von sich aus¬ 
geschlossen, diese saßen als kleine Leute in besonderen Ständen bei 
ihrer Bastelarbeit. 
Auch das Publikum hatte ein Gefühl, daß es mit der Kunst 
und Erfindung rasch vorwärts ging, und wenn der Predigermönch 
Denkwürdigkeiten in die Jahrbücher seines Klosters eintrug, bemerkte 
er neben den politischen Ereignissen des Jahres nicht nur, daß er 
selbst einen großen Atlas ans zwölf Pergamentblätter gezeichnet,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.