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kampfs zu entscheiden, ward gleichsam als Ausfluß des Rechtes, die
Waffen zu führen, betrachtet. Ten Unterliegenden traf die Todes¬
strafe. Außer dem Schwerte entschieden in den zahllosen Gottes¬
urteilen vorzugsweise glühende Eisen und siedendes Wasser. Natür¬
lich entstanden die empörendsten Folgen. Es bedurfte vieler Jahr¬
hunderte, um jene auf Aberglauben beruhende Einrichtung zu
verdrängen.
Hatten hundert Zeugen einen Diebftahl oder Mord mit ange¬
sehen, den Verbrecher aber nicht bei der That ergriffen, so konnte
er sich durch einen Eid von der Schnldigerklärung und Strafe frei
machen. Sprachen Zeugen oder Eidhelfer die ihnen vorgesagte
Eidesformel zufällig stotternd oder sonst nicht genau nach, so er¬
folgte, da das als schlimme Andeutung galt, die Freisprechung des
Angeklagten. Tazu kam eine Menge unverständiger, großenteils
abergläubischer Förmlichkeiten; dazn kam ferner die barbarische
Strenge der Strafen, so daß man häufig, statt „die Todesstrafe"
zn sagen, nur „die gewöhnliche Strafe" sagte; dazn kam endlich
die Tortur, vermittelst derer man jedes beliebige Bekenntnis zu
erpressen verstand, das des begangenen Verbrechens ebenso wie
jenes des gar nicht stattgehabten, ja des rein unmöglichen. Wußte
man doch ans die unsinnigsten Beschuldigungen hin, etwa wegen
Zauberei oder Hexerei, die bestimmtesten und umständlichsten Ein-
geständnisse zu erlangen.
Als ein Hauptübel muß noch das gemäß alten Herkommens
neben der gewöhnlichen Justiz bestandene Recht der Fehde besonders
erwähnt werden. Ihm zufolge konnte namentlich der Gläubiger,
wenn andere Mittel nicht fruchteten, feinen Gegner befehden, ohne
sich dadurch eines Friedensbruches schuldig zu machen. Rieht minder
war das Recht der Selbsthilfe gestattet, wenn der Gegner sich
weigerte, vor Gericht zu erscheinen. Tas Nämliche galt in Lehens¬
sachen. Ja, es konnte ein Vasall feine Genoffen gegen den eigenen
Lehensherrn, den König, aufbieten, um ihn zu bekriegen, falls der¬
selbe einem vom Lehensgericht gesprochenen Urteil keine Folge geben
wollte oder Recht zu sprechen verweigerte. Es mußten sogar die
königlichen und fürstlichen Beamten dem in gesetzlicher Fehde Be-