III. Die Zeiten der Politik. 219
Auch einen feiner mächtigen Stiefel verlor er im Morast.
Sein Sieg war vollständig: 140 Kanonen, 28 Mörser
und Haubitzen, die Kriegskasse und ein großer Mund- und
Kriegsvorrath wurden erbeutet und über 30000 Gefangene
gemacht. Jetzt wandte er sich noch gegen die Polen und
Sachsen, die er eben so glänzend am Dünaflnsfe schlug.
So wurden die drei größten nordischen Mächte in neun
Monaten gedemnthigt.
Ganz Europa erstaunte über diesen Helden; aber für
ihn selbst hatte das Glück die nachtheilige Folge, daß jetzt
schon fein Eigensinn seine Höhe erreichte. Während Peter,
der sich der Niederlage sehr schämte, ausrief: „Ich weiß
wohl, daß uns die Schweden noch öfters schlagen werden,
aber endlich werden sie uns auch siegen lehren," und mit
unermüdeter Thätigkeit sein Heer auf einen besseren Fuß zu
bringen strebte, auch fortfuhr, Karls Staaten anzugreifen,
blieb Karl fünf Jahre lang in Polen liegen, sagend:
„Wenn ich auch 50Jahre lang da bleiben sollte, so werde
ich nicht eher weggehen, als bis ich August II. entthront
habe.“ Dieser König, zunächst Kurfürst von Sachsen,
hatte es sich das Theuerste, fein evangelisches Glaubens¬
bekenntniß kosten lassen, um König von Polen zu werden.
Jetzt half Alles nichts: er mußte unter demüthigenden
Bedingungen die Krone wieder niederlegen; denn Karl
stuud ein Jahr lang in Sachsen, das er durch Erpressun¬
gen erschöpfte. Aehuliches hatte der trunkene Sieger auch
mit Peter vor, gegen den er 1708 mit 44000 Mann
aufbrach. Er hatte im Sinn, stracks gegen Moskau
vorzurücken, ließ sich aber bei Smolensk bewegen, rechts
gegen die Ukraine hinabzuziehen. Jetzt kam Unglück ans
Unglück: es fehlten Lebensmittel; ein furchtbarer Winter
und schnell eintretendes Thauwetter rafften ihm viele Krie¬
ger weg; und die ntuthiger und geschickter gewordenen
Russen griffen ihn endlich bei Pultawa, das er bela¬
gere, an. Nach verzweifelter Gegenwehr büßte er fein
ganzes Heer ein; schwer verwundet rettete er sich mit
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