Erstes Buch.
Allgemeiner Teil.
(Erstes Kapitel.
Die Zwecke des Geschichtsunterrichts als Matzstab der
Ztoffauswahl.
Indem ich die Frage, ob überhaupt Geschichtsunterricht statt¬
finden soll, unerörtert lasse, obschon sie von einigen Sonderlin¬
gen verneint worden ist, beginne ich mit einer Auseinandersetzung der
Zwecke des Geschichtsunterrichts. Sie ist auch in einer wesentlich prak¬
tische Ziele verfolgenden Arbeit unerläßlich und muß allem anderen
vorangehen, weil die Zwecke des Unterrichts maßgebend für die Aus¬
wahl des Stoffes wie für die unterrichtliche Behandlung sind. Es besteht
keineswegs volle Übereinstimmung über diese vielleicht wichtigste aller
den Gegenstand betreffenden Fragen. Über sie muß Klarheit herrschen,
ehe praktische Vorschläge vorgelegt werden können.
Abgelehnt wird wohl jetzt allgemein die Erteilung vonGeschichtsunter-
richt zur Erzielung enzyklopädischer Kenntnisse aus dem Gesamtgebiet hi¬
storischer Wissenschaft. Diesem Ziel entsprach jene lange verschwundene Art
des Geschichtsvortrags, die in der untersten Klasse mit den Chinesen oder
Ägyptern anfing und nun, unbekümmert um irgendein Prinzip öer Aus-
wähl, rein chronologisch öurch öie Jahrtausende vorwärtsschritt bis zum
Sturze Napoleons, um dann wieder von vorn anzufangen, alles in glei-
cher Ausführlichkeit darstellend, höchstens bei den Völkern des klassischen
Altertums etwas länger verweilend. Von diesem Betriebe ist kaum etwas
festzuhalten als die Forderung eines ganz großzügigen Überblicks über
öie an der Kulturgeschichte der Menschheit tätig beteiligten Rassen und
Völker; soweit sie zum Aufbau unserer eigenen, europäischen Kultur
nichts Wesentliches beigetragen haben, ist die Schilderung ihrer Eigen¬
art und ihrer eigentümlichen Schöpfungen der Erd- und Völkerkunde
zuzuweisen.
Friedrich, Stoffe U. Probleme ,