Full text: Ueber Vaterlandsliebe im Kulturleben der Völker

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Da erschien Friedrich der Große und vollendete das Werk seines 
großen'Ahnen, den brandenburgisch-preußischen Staat. Sein Wahl¬ 
spruch war: „Der König ist der erste Diener des Staates," und so 
trat Friedrich nicht nur dem mit Hülse der geistlichen Macht gezei¬ 
tigten und namentlich in Ludwigs XIV. despotischem Wahlspruch: 
„3ch bin der Staat!" aufs treffendste sich kennzeichnenden ro¬ 
manischen Orientalismus schnurgerade gegenüber, sondern er be¬ 
folgte zugleich, was unendlich mehr gilt, die Vorschrift des 
Christenthums: „Der Größte unter euch sei wie der Kleinste, und 
der Oberste wie ein Diener (Luk. XXII, 26). Diese demüthige 
Selbstverleugnung, diese echt christliche, vom Könige vorbildlich 
geübte Vaterlandsliebe theilte Friedrich seinen Unterthanen mit, 
'und so hat durch christlich patriotisches, auch in den ernstesten 
Perioden bewährtes Zusammenwirken von Fürst und Volk in 
Preußen die deutsche Nation ihren Namen wieder zu Ehreu ge¬ 
bracht und einen neuen Mittel- und Schwerpunkt gewonnen. Dieser 
konnte zwar — denn man war „ eingeschlafen auf den Lorbeeren Fried¬ 
richs des Großen" (Königin Luise) — noch einmal aufs äußerste 
bedrängt und eingeengt werden, dann aber — denn durch die Gro߬ 
thaten deutscher Dichter und Denker war unterdes deutscher Sinn 
und deutsches Lebeu uud das Gefühl der Zusammengehörigkeit und 
Gemeinschastlichkeit gegenüber dem Auslande wieder erwacht und 
erstarkt — warf er den fremden Bedrücker siegreich zurück, um 
nach mehr als halbhuudertjähriger, friedlicher und kriegerischer 
Arbeit aller nationalen Lebenskräfte endlich mit gebieterischer Natnr- 
nothwendigkeit die zerstreuten Glieder au sich zu ziehen und zum 
„hohen Heldenleibe einer Riesin voller Mark" auszugestalten, wie 
wir dies alles ja vor unsern Augen sich haben vollziehen sehen 
unter ihm, den wir jetzt als Kaiser begrüßen. 
„Wie das Herz des ganzen Körpers bedarf," sagt G. Funke, 
„so bedarf Deutschland der ganzen Welt;" aber mit dem¬ 
selben Recht fügt E. Kapp hinzu: „Wie der Körper im Herz¬ 
schlag seinen Lebenspunkt hat, so ist der ganzen Welt in 
Deutschland ihr geographischer und historischer Einheitspunkt ge¬ 
geben." Es ist daher für Europa, ja für die Welt, wichtig und 
wesentlich, daß Deutschland einig, stark und gesund sei; aber eben 
deshalb wird auch hier wohl ein christlicher Wahlspruch gelten
	        
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