Erste Periode.
Deutsche Urgeschichte.
Vom ersten Auftreten der Deutschen in der Geschichte bis auf die
Zeit der Franken.
A. Die älteste Aeit.
1 ♦ Römer und Germanen.
v. Chr.
Unsere Vorfahren — die Germanen oder die Deutschen — ari¬
scher (indogermanischer) Abstammung verlassen ihre Urheimat, H o ch a s i e n *)
*) Dieser lange säst allgemein angenommenen Ansicht widersprechen in neuester Zeit einige
Forscher. Sie suchen die Urheimat der arischen Sprachen nicht in Asien, sondern in Eur op a
und weisen zur Begründung ihrer Ansicht auf folgendes hin:
ES ist eine Thatsache, daß sich unter den arischen Völkern zwei grundverschiedene Typen
l MusterformeM und zwischen diesen wieder mannigfache Mischungen erkennen lassen. Während
im Norden Europas blaue Augen, blonde Haare, weiße Hautfarbe und großer Wuchs vor¬
wiegen, herrschen im Süden Europas und im arischen Asien schwarze Augen und Haare, bräun¬
liche Hautfarbe und kleiner Wuchs, in Mitteleuropa dagegen braune Augen und Haare und
gemischte Hautfarbe und Statur vor. In der äußern Erscheinung stehen die südeuropäischen
und asiatischen,.Jndogermanen" den sogenannten Semiten weit näher als ihren nordeuropäischen
Sprachverwandten.
Auffallend erscheint auch, daß die ältesten Götterlehren der Germanen, Griechen, Perser
und Inder, trotzdem diese Völker weit voneinander entfernt wohnen, näher miteinander ver¬
wandt sind als mit den alten Glaubenslehren der ihnen räumlich und sprachlich näherstehenden
Italiker, Kelten und Slaven. Anders liegt die Sache bei der Sage, soweit sie sich nicht auf
die Götter bezieht, und in betreff der volkstümlichen Sitten und Gebräuche: auf diesen Gebieten
nähern sich die europäischen Völker einander mehr als ihren asiatischen Sprach verwandten.
Selbst aus sprachlichem Gebiete tritt eine Wechselbeziehung hervor, die der Forschung noch
viele und schwierige Rätsel bietet. Nahe Berührungen der indogermanischen mit den semitischen
und den uralaltaischen Sprachen stehen großen grammatikalischen und etymologischen (zur Wort¬
forschung gehörenden) Verschiedenheiten gegenüber, die sich trennend zwischen die einzelnen
sprachen schieben. Auch in Bezug aus den Wortschatz durchkreuzen die Sprachen einander, so
daß sie von verschiedenen Forschern auf ganz verschiedene Weise gruppiert sind.
Aus dieser Darlegung ergiebt sich, daß die Fragen nach der Heimat und Der Abstammung
ber arischen Völker noch lange nicht endgültig gelöst sind. Immerhin aber gewinnt die Ansicht,
daß die Arier in i&rer Urheimat ihre Sprache selbst geschaffen und erobernd nach Südeuropa
und Südasien vorgedrungen sind, mehr und mehr an Wahrscheinlichkeit.
(Nach Henne am Rhyn.)
Deutsche Kulturgeschichte. I. 2te Aufl. i