Full text: Vom großen Interregnum bis zur Reformation (Teil 2)

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Notdürftig verhüllten diese Erfolge an den Grenzen die Verderbnis^udott^ 
im Innern; Deutschland glich dem Apfel, dessen Außenseite in den bürg. 
schönsten Farben schimmert, während inwendig der Wurm das Leben 
zerstört; wie lange noch und der Apfel fällt. Vor diesem Ärgsten blieb 
das Reich indes bewahrt. Merkwürdigerweise mußte gerade die Macht, 
welche so beharrlich an seinem Untergange gearbeitet hatte, jetzt zur 
Rettung die helfende Hand bieten. 1263 hatte Papst Urban IV. in 
einem Schreiben an die deutschen Fürsten wie ein Richter in deutsche 
Verhältnisse einzugreifen versucht, indem er nur sieben Fürsten als wahl¬ 
berechtigt bezeichnete — die Erzbischöfe von Mainz, Köln, Trier, die 
Herzöge von Bayern, Sachsen, Brandenburg und den König v. Böhmen 
— die übrigen Stände des Volkes also von der Teilnahme ausschloß. 
Als nun 1272 Richard v. Cornwallis gestorben war, schien dem da¬ 
maligen Oberhaupte der Kirche, Gregor X., die Gelegenheit günstig, 
an einem neuen Herrscher des deutschen Reiches eine kräftige Stütze 
gegen Frankreich, welches die päpstliche Vorherrschaft bedrohte, zu ge¬ 
winnen. Er ließ den deutschen Fürsten erklären, wenn sie sich weigerten, 
dem Reiche einen neuen König zu geben, so würde er es mit seinen 
Kardinälen selbst besorgen. Die Aufforderung des Papstes entsprach 
dem Wunsche der Fürsten. Sie setzten zunächst fest, daß der Ausspruch 
Papst Urbans IV. über die Wahl- oder Kurfürsten, Gesetz werden 
solle und berieten sodann darüber, wie sie sich selbst einen Anteil an 
der Regierung sichern könnten. Von der Machtfülle, die sie durch das 
Gesetz von 1232 (Reichstag zu Cividale unter Friedrichs II. Regierung) 
erlangt und während des Zwischenreichs nach Kräften erweitert hatten, 
konnte ihnen kein neuer König etwas nehmen, notwendig erschien es 
aber, daß ein Oberhaupt vorhanden sei, welches Frieden und Ordnung 
im Reiche wieder herstelle und das Verhältnis der Fürsten unterein¬ 
ander und zum Reiche zu einem bundesfreundlichen gestalte. Die Ver¬ 
handlungen der Fürsten, die der kluge Werner v. Eppenstei n^Erz-^ 
leitete, sollen sieben Monate gedauert haben. Man einigte sich, den Mainz. 
Grafen Rudolf v. Habsburg auf den Thron zu erheben, einen Mann, 
von dem die Kolmarer Chronik sagt: „Graf Rudolf aus dem Ge¬ 
schlechte des Herzogs v. Zäh ringen ist im Jahre 1218 vor dem 
1. Mai geboren. Er war ein Mann von großer Gestalt, sieben Fuß 
laug, mager, mit kleinem Kopf, bleichem Gesicht und langer Nase. Er 
hatte wenig Haare, schmale und lange Hände und Füße. In Speise 
und Trank und andern Dingen war er mäßig, ein verständiger,
	        
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