Full text: Das Zeitalter der Reformation, Das Jahrhundert des großen Krieges, Das Zeitalter der unumschränkten Fürstengewalt (Teil 3)

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So soll der Boshafte fallen 
Als ein Opfer meiner Wut! 
Aber nein! — 
Sollt' ich feine Brant nicht sein? 
Ich verleih' Dir, kehre wieder! 
Senkt indes, ihr Augenlider, 
Senkt in bittre Thränen ein 
Der verminen Liebe Pein!" — 
Ja, frei so rührenden Liedern war dann wohl die ganze Stadt, 
die sonst so stille Bürgerschaft, Feuer und Flamme! Ähnliches leisteten 
für das niedere Publikum die Darstellungen der Gaukler, die Kunst¬ 
reiter, die starken Männer, die Mordthaten u. s. w. Der Handwerker 
endlich hatte noch immer seine altgewohnten Gewerksfeste, welche ihm 
freilich durch „Eine löbliche Polizei" oft etwas verkümmert wurden. 
Das alles aber „hatte seine Zeit" und störte nur sehr wenig die Ruhe 
der stillen Stadt, welche bald darauf wieder in das gewohnte Geleise 
kam. Auch die Durchfahrten fremder Potentaten, die „Ratsversetzungen", 
die Feste einer Kaiserkrönung, welche nicht zu Frankfurt am Main 
allein, sondern in allen Reichsstädten und auch anderswo festlich be¬ 
gangen wurde, hatten nicht die Macht, jenen Charakter des Stilllebens 
zu verändern, welcher den deutschen Bürgerschaften seit Anbruch der 
neuen Zeit eigen war. 
Dieses „stille Leben" deutscher Bürgerschaften wirkte in hohem 
Maße läuternd und reinigend auch auf die Tracht des deutschen Bürgers 
ein. Die großen Allongeperücken waren verschwunden; nur höchst 
selten bemerkte man sie noch bei Männern von höherem Ansehen, bei 
Ministern, Räten, Doktoren und Gelehrten. Dagegen kamen nun die 
kleinen „Muster" oder „Mirletons" in Gebrauch, bis die soldatische 
Frisur auch sie ablöste. Nun war der Zopf des Mannes Stolz! Noch 
blieb dem Manne Degen und Wehrgehäng, aber doch nur dem Vor¬ 
nehmeren. Der Handwerker hatte die Waffe seit dem westfälischen 
Frieden allgemach abgelegt. Als Farbe der Kleidung wurde jetzt im 
Bürgerstande das preußische „Blau" die verbreitetste. Reinlichkeit und 
Sparsamkeit herrschte in der Kleidung des Bürgerstandes allgemein. 
Zwar war der neue Luxus der Manschetten und Jabots ausgekommen; 
aber sie waren so bescheiden zugeschnitten und so klein, sie wurden 
ferner mit so großer Behutsamkeit getragen, „daß", —- wir citieren 
wörtlich aus einer alten Chronik, — „ein Paar derselben oft einen 
oder mehrere Monate vorhielt, ohne einer Wäfche zu bedürfen. Sie
	        
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