Full text: Das Zeitalter der Reformation, Das Jahrhundert des großen Krieges, Das Zeitalter der unumschränkten Fürstengewalt (Teil 3)

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Die Belagerung nahm ihren Fortgang: Münster sah sich von aller 
Zusuhi abgeschnitten; bie Ernährung der Eingeschlossenen sing an schwierig 
zu werden. Die der Menge zugeteilten Speisen wurden dürftiger und 
spärlicher. Johann schwelgte im Überfluß. Er umgab sich mit aus¬ 
gesuchter Pracht; prunkend erschien er im Königsschmuck, eine eigens 
erfundene Königskrone auf dem Haupte, an goldener Kette hing ihm 
vom Halse herab das Sinnbild seiner Weltherrschaft: „eine goldene 
Weltkugel, durch die ein goldenes und ein silbernes Schwert ging; über 
dem Handgriff derselben erschien ein Kreuz." Jeder, der ihm auf der 
Straße begegnete, hatte sich vor ihm niederzuwerfen. In solchem Aus¬ 
züge erschien er auf offenem Markte, bald um Hos oder Gericht zu 
halten, bald um als verzückter Schwärmer wahnwitzige Gebote zu ver¬ 
künden, bald um inmitten seines glänzenden Hofstaates an den öffent¬ 
lichen Mahlzeiten teilzunehmen. 
Bei einem Mahle dieser Art reichte der König den (4200) Brüdern 
und Schwestern Weizenkuchen und die erste seiner Frauen Wein mit 
den Worten: „Bruder, Schwester, nimm hin; wie die Weizenkörner zu¬ 
sammengebacken und die Trauben zusammengedrückt sind, so sind auch 
wir eins." Als aber der König unter den Versammelten einen Fremd» 
ling ohne Festgewand erblickte, ließ er denselben beiseite führen, ging 
hin und schlug ihm eigenhändig das Haupt ab und kehrte dann froh 
über den Dienst, den er dem Herrn geleistet, zum Mahle zurück. Und 
als späterhin eines seiner vierzehn Weiber, übersättigt und angeekelt von 
dem wüsten Treiben in Münster, ihn bat, die Stadt verlassen zu dürfen, 
enthauptete er dasselbe im Beisein der andern Weiber und führte dann 
mit diesen um den zuckenden Leichnam einen Tanz aus unter dem Ab¬ 
singen des Liedes: „Allein Gott in der Höh' sei Ehr." 
Die Last und die Not der Belagerung ertrugen die Täufer, Männer 
und Weiber, Greife und Knaben in heldenhafter Ausdauer. Sie sahen 
die Belagerung als notwendig an für das eigene Heil: „denn das 
Opfer der Wüste müsse vollbracht werden; der Vorhof müsse sich mit 
Toten füllen. Gott aber werde nicht allein bie Gewalt abwehren, 
sondern ohne Verzug auch seinem Volke das Schwert in die Hand 
geben, zu vertilgen alles, was Bosheit treibe auf der ganzen Erde." 
Mehrere gewaltige Stürme der Belagerer schlugen sie ab. Einzelne 
rafften sich zu besondern Thaten des Heldenmutes aus. Nach dem Bei¬ 
spiel Judiths ging eine Friesländerin, die in Münster ihrer Seele 
Seligkeit bei dem Worte Gottes gesucht hatte, in prächtigem Schmucke
	        
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