Full text: Das Zeitalter Friedrichs des Großen, Deutschland in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, Das Zeitalter Kaiser Wilhelms I. (Teil 4)

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hatte, so die kirchlich-katholische Regierung Maria Theresias 
dem gebieterischen Toleranz-System ihres Sohnes, welches sie 
überhaupt erst möglich gemacht hat. 
Wenn der neueste Geschichtsschreiber dieser denkwürdigen Frau, 
der persönlich achtungswertesten Selbstherrscherin in der Welt¬ 
geschichte, sagt, sie habe „es erreicht, daß man Österreich als eine 
Monarchie mit der Gemeinsamkeit der Interessen aller öster¬ 
reichischen Völker anerkannte", so ist damit auch ausgesprochen, 
daß diese Monarchie aus dem Zusammenhange des deutschen 
Reiches herausgetreten war und nunmehr dem Range nach selbst 
an Stelle des alten Reiches, dem sie freilich nur zum kleineren 
Teil angehörte, stand, während sie die übrigen Staaten sich selbst 
überlassen hatte. 
Maria Theresia konnte als Frau die deutsche Reichskrone 
nicht tragen. Sie war Kaiserin nur als Gattin des Kaisers 
Franz 1., der hinwieder in Österreich persönlich nichts zu re¬ 
gieren hatte und dort nur eine Art von Minister seiner Gemahlin 
war. Aber ihr Kaisertitel und ihre Herrschast bewirkten, daß man 
seit ihrer Zeit den Beherrscher Österreichs, den es ja früher als 
solchen in einheitlichem Sinn nicht gegeben hatte und welchen: 
auch jetzt noch kein derartiger Titel zukam, als „den Kaiser" 
schlechtweg betrachtete und dabei an den deutschen Kaiser kaum 
mehr dachte, bis dies thatsächliche Verhältnis auch in die Form 
und das Recht überging und der deutsche Kaiser (1806) klanglos 
verschwand. 
Maria Theresia war von dem wärmsten Streben erfüllt, 
das Wohl ihrer Völker zu fördern. Sie hätte eine Muster- 
Monarchin genannt werden können, wenn ihr nicht das Inter¬ 
esse für Kunst und Wissenschaft und die religiöse Duldsamkeit ge¬ 
fehlt hätten. Der katholische Glaubenseifer verdrängte in ihrem 
Herzen diese Gefühle; Künstler und Gelehrte wurden von ihr 
gering geschätzt: Protestanten wurden verfolgt, unterdrückt, ge¬ 
waltsam nach Siebenbürgen geschafft, unter das Militär gesteckt 
und in Bergwerke geschickt; die Juden wurden wiederholt ver¬ 
trieben. Diese Mängel machte Maria Theresia einigermaßen 
gut durch ihren Eifer für ehrbare Sitten und ihre vortrefflichen 
Eigenschaften als Gattin und Mutter. Wie bei Friedrich der 
Hof im Staate aufging, so bei ihr in der Familie. Soweit 
sie und Kaiser Franz Pracht liebten, schmückten sie die Schlösser 
Schönbrunn und Laxenburg; die Burg in Wien aber ließen sie.
	        
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