Full text: Praktisches Lehrbuch des erziehenden Geschichtsunterrichts

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Triumphzuge; mit unendlichem Jubel begrüßte die Hauptstadt das 
junge Fürstenpaar. Am 27. Januar 1859 wurde dem glücklichen Ehe¬ 
paare der erste Sohn, Prinz Wilhelm, unser jetziger Kaiser,^ ge¬ 
boren. In den folgenden Jahren wuchs der häusliche Kreis aus die 
stattliche Zahl von 8 Kindern an, 4 Prinzen und 4 Prinzessinnen. 
2 Prinzen, Sigismund und Waldemar, starben in früher Jugend; 
Prinz Heinrich, der sich dem Marinedienst widmete, wurde am 
24. August 1862 geboren. Die 4 Töchter sind die an Prinzen euro¬ 
päischer Fürstenhäuser verheirateten Prinzessinnen Charlotte, Viktoria, 
Sophie und Margaretes) 
Familienleben. Im Kreise der Seinigen verlebte Friedrich Wilhelm, 
der inzwischen Kronprinz geworden war, glückliche Tage. Das Neue 
Palais in Potsdam war seine ständige Sommerresidenz. Mit treuer 
Mutterliebe wachte die Kronprinzessin über ihre Kinder und suchte alle 
guten Keime in den jungen Herzen zur Entfaltung zu bringen; denn 
zu dem Adel der Geburt sollte wahrer Adel des Geistes uud Herzens 
kommen. Frühzeitig senkten die hohen Eltern ihren Lieblingen das 
Bewußtsein ins Herz, daß ihr hoher Stand ihnen auch hohe und ernste 
Pflichten auferlege. Der Kronprinz war der liebevollste Vater. Fröhlich 
und ungezwungen nahm er am Spiele seiner Kinder in dem großen 
Schloßgarten teil, häufig machte er mit ihnen Ausflüge zu Fuß und 
zu Pferde. 
In der Nähe lag sein Eigentum, das Gut Börnste dt. Unter 
seiner Verwaltung ist das Gut- zu einer wahren Musterwirtschaft her¬ 
angeblüht. Zwischen dem fürstlichen Gutsherrn und den Dorfbewohnern 
geliebte Viktoria mit dem Prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen, der seit dem 
14. bei uns ist, verlobt. Schon am 20. hatte er uns sein Anliegen mitgeteilt, 
aber um ihrer großen Jugend willen waren wir zweifelhaft, ob er jetzt mit ihr 
reden oder bis zu seiner Wiederkehr warten sollte, entschlossen uns aber doch zu 
letzterem. Als wir nun heute Nachmittag den Craig-na Ban hinaufritten, brach 
er einen Zweig weißer Haideblumen, gab ihr denselben und knüpfte daran auf 
dem Heimwege Andeutungen seiner Hoffnungen und Wünsche, die dann alsbald 
glücklich in Erfüllung gingen." Wegen der großen Jugend der Braut (geb. 
21. November 1840) wurde die Vermählung noch mehrere Jahre aufgeschoben. 
1856 nahm Prinz Friedrich Wilhelm bei einem Besuche seiner Braut den Rück¬ 
weg über Paris. Ueber den Eindruck, den der ritterliche Prinz am französischen 
Hofe machte, schrieb die Kaiserin Eugenie an eine Freundin: „Der Prinz ist ein 
großer, schöner Mann, fast einen Kopf größer als der Kaiser, schlank, blond, 
strohfarbener Schnurrbart, ein Germane, wie ihn Tacitus beschreibt, von ritter¬ 
licher Höflichkeit, nicht ohne einen Hamletschen Zug. Sein Begleiter, der General 
Moltke, ist ein wortkarger Herr, aber nichts weniger als ein Träumer, immer 
gespannt und spannend, er überrascht dnrch die treffendsten Bemerkungen. Eine 
imponierende Rasse, diese Deutschen! Louis sagt: die Rasse der Zukunft. Bah, 
so weit sind wir noch nicht." Der feierliche Akt der Trauung fand in der 
Mittagsstunde des 25. Januar 1858 in der Kapelle des St. James-Palastes zu 
London statt. 
*) Prinz Sigismund erblickte das Licht der Welt am 15. September 1864 
und starb am 18. Juni 1866; Waldemar wurde geboren am 10. Februar 1868 
und starb am 27. März 1879. — Prinz Heinrich vermählte sich am 24. Mai 
1888 mit der Prinzessin Irene von Hessen. — Prinzessin Charlotte, jetzige Erb- 
prinzessin von Meiningen, ist geboren am 24. Juli 1860, Viktoria. Gemahlin 
des Prinzen vom Schaumburg-Lippe, am 12. April 1866, Sophie, Kronprinzessin 
von Griechenland, am 14. Juni 1870, Margarete, Gemahlin des Prinzen von 
Hessen, am 22. April 1872.
	        
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