IO Anforderungen der modernen Zeit an den Geschichtsunterricht.
die auch an die anderen Unterrichtszweige gestellt werden. Also
zunächst Vermittlung eines gewissen, zum Verständnis unerlässlich
notwendigen positiven Wissensstoffes. Darüber hinaus Anleitung
zum selbständigen Denken und Beurteilen und als höchstes und
letztes Ziel Erziehung zu einem vernunftgemäßen, von Herz und
' Gemüt beeinflussten sittlichen Handeln. Diese Ziele hat der Ge¬
schichtsunterricht mit anderen Disziplinen gemeinsam, besonders mit
dem deutschen Unterrichte, und inwiefern er diesen Zielen und Auf¬
gaben gerecht werden kann, soll weiter unten gezeigt werden.
Aber die Gegenwart stellt an den Bürger auch Anforderungen,
deren er seit 200 Jahren fast entwöhnt war; vor allem die einer
regeren Anteilnahme am öffentlichen und staatlichen
Leben. In den Schöffen- und Geschwornengerichten soll der
Bürger, auch wenn er Laie ist, als Hüter des Rechtsbewufstseins
des Volkes mit zu Gerichte sitzen; an der Wahlurne soll die grosse
Masse, in den Gemeindevertretungen, Parlamenten, Kommissionen
sollen die gewählten Vertreter mitentscheiden über tausenderlei zum
Teil sehr schwierige und wichtige tragen politischer, kirchlicher, mili¬
tärischer, sozialer, wirtschaftlicher, künstlerischer und wissenschaft¬
licher Natur. Dies setzt aber doch ein gewisses Verständnis für diese
Fragen voraus, freilich nur in einem sehr geringen Grade und Umfange;
denn die grosse Masse wird immer einzelnen sachverständigen Führern
als Stimmmaterial folgen müssen. Aber eine gewisse, sozusagen blasse
Idee von den die Zeit bewegenden grossen Fragen und Aufgaben sollte
doch wenigstens die grosse Zahl der Gebildeten haben, die ja hier
in erster Linie in Betracht kommt. Nun wäre freilich vor allem die
1 resse zur entsprechenden Aufklärung berufen, und es muss auch
das Verdienst der Presse in dieser Richtung anerkannt werden.
Aber auch in der Presse kreuzen sich mancherlei Interessen; ferner
setzt ein richtiges Verständnis der Presserzeugnisse eben schon eine
gewisse Bekanntschaft mit den Elementen der betreffenden Fragen
voraus. Hier kann und muss die Schule einsetzen. Die Volks¬
schule natürlich nur in sehr geringem Masse; auch die Hochschule
ist verhältnismässig wenigen zugänglich*); aber durch die Mittel¬
schule geht doch die Mehrzahl der Gebildeten, und hier eröffnet
sich besonders dem Geschichtslehrer ein weites Feld segensreicher
Thätigkeit. Nicht als ob er alles oder nur viel thun könnte; es
) Was die Volkshochschulen leisten werden, muss erst abgewartet werden;
jetzt schon ein Urteil fällen zu wollen, wäre verfrüht.