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12 Folgerungen aus den Fortschritten der Pädagogik.
wer am meisten über unsere »veraltete, den modernen Anforderungen
durchaus nicht mehr genügende« Gymnasialbildung wettert, so sind
es meistens solche, die weder als Schüler noch als Lehrer jemals
ein Gymnasium kennen gelernt haben, deren Objektivität also durch
Sachkenntnis in keiner Weise getrübt wird.
Deshalb dürfte es wohl als gerechtfertigt erscheinen, dem
folgenden einen eigenen Abschnitt zu widmen, an dessen Spitze
aber das Wort des Kleobulos: utqov ccotnvov« stehen soll. Wenn
wir trotzdem manchen, ja vielen Kollegen zu weit zu gehen scheinen,
so möge auf das hingewiesen sein, was wir in der Einleitung gesagt
haben, dass wir nämlich nur solche Kollegen, die Lust und Neigung
haben, veranlassen wollen, mit diesen Gedanken praktische Versuche
anzustellen. Wir werden uns bei der Gedankenentwicklung genau
an die Reihenfolge der unter A behandelten Gesichtspunkte halten.
Zu I.
Aus den Fortschritten der modernen Pädagogik ergibt sich für
den Geschichtsunterricht, was folgt:
Möglichste Beschränkung des gedächtnismäfsigen Wissens
auf das Mindestmass des absolut unerlässlichen; als solches haben
zu gelten diejenigen Thatsachen, Ereignisse, Verhältnisse und Per¬
sonen, welche zum Verständnis der Entwicklung und des Fort¬
schrittes der Geschichte notwendig sind. *)
*) Über das Mass dessen, was zum Verständnis notwendig ist, werden
natürlich die Meinungen sehr weit auseinandergehen, je nach der individuellen Auf¬
fassung des Lehrers. Das ist naturgemäfs und schadet auch gar nichts. Denn
heutzutage ist man doch endlich so weit gekommen, dass man der Eigenart des
Lehrers keine spanischen Stiefel mehr anzwängt, sondern dieselbe — innerhalb des
Rahmens der für die Gesamtheit notwendigen Einheitlichkeit natürlich — soweit als
möglich zur Geltung kommen lässt. Denn es kommt beim Lehrer weniger darauf
an, was er gibt, sondern wie er es gibt; was der Lehrer aus seinem innersten
Wesen heraus mit Lust und Liebe behandelt, wirkt erfahrungsgemäfs viel mehr auf
die Schüler als das, womit sich der Lehrer, weil es nun einmal unumgängliche
Vorschrift ist, so gut oder schlecht als möglich abfindet.
i Ferner kommt auch die Eigenart der Schule in Betracht. So wird man an
einer Realschule die Bundesgenossenkriege der Athener mit den Seestaaten, der
Spartaner mit den peloponnesischen Staaten, die Samniter- und Volskerkriege, die
Mithridatischen Kriege und ähnliches kaum genauer behandeln. An einem Gymnasium
dagegen, wo die Lektüre der Klassiker vielfach mit diesen Dingen in Berührung
bringt, kann es recht wohl begründet und gerechtfertigt sein, darauf stellenweise
näher einzugehen. Deshalb sollte man weniger darauf sehen, was der Lehrer be¬
handelt, sondern dass er das, was er behandelt, richtig und ordentlich betreibt, so
dass ein intellektueller und moralischer Nutzen für die Schüler herauskommt.