Full text: Ferdinand Hirts historische Bildertafeln

während die andere, die Rohrfeder fassend, sich zum Schreiben 
anschickt. Unterleib und Schenkel bedeckt ein Unterkleid. Von 
besonderer Wirkung sind die geradezu funkelnden Augen; sie 
bestehen aus mattweissen Quarzstücken, in welche als Augen¬ 
sterne durchsichtige Bergkrystalle eingesetzt sind. 
Bogen 3. Assyrer und Perser. 
Die assyrischen Könige besassen vier Residenzen, deren 
Trümmer man seit dem Jahre 1842 auszugraben begonnen hat. Der 
heutigen Stadt Mosul gegenüber liegen auf dem östlichen Ufer 
des Tigris die Hügel Kujundschik und ISTebbi Junus, die Ruinen 
des alten Ninive. Nordöstlich davon steht das Dorf Khorsabad 
auf einem Hügel, der die Massen enthält, welche von Dur-Sarru- 
kin, d. i. der Burg des Königs Saigon (f 705) sich erhalten 
haben. Von Mosul dreissig Kilometer stromabwärts finden sich 
auf dem linken Tigrisufer bei der Ortschaft Nimrud die Reste 
der Königsstadt Kal ah. Weiter südlich liegt auf dem rechten 
Ufer der Trümmerhügel von Kalah Schergat: das alte Assur. Es 
wurden aus diesen Schuttablagerungen — noch heute stehen die 
Ziegelmauern von Ninive auf einem Unterbau von Kalksteinen 
aufrecht in einer Höhe von sechsundvierzig Fuss! — die Reste 
der ungeheueren Befestigungswerke, der gewaltigen Königspaläste, 
der mächtigen Tempel aufgedeckt, welche das Bild der assyrischen 
Städte überaus grossartig gestalteten. Wuchtige Massenhaftig- 
keit bezeichnete den Charakter der Bauten, in denen die assyri¬ 
schen Herrscher nach Art der babylonischen und ägyptischen 
ihren Ruhm zu verewigen suchten. Auf viereckigen, massiven 
Terrassen oder Erdwällen, welche mit einer Brüstungsmauer ab¬ 
schlössen, erhoben sich die Schlossbauten in Form von Hallen 
und Gallerien; sie gruppierten sich um Höfe und enthielten nur 
schmale Räume, besassen dagegen eine ungemeine Mauerstärke. 
Dieselbe erklärt sich aus dem Material. Obwohl nämlich in 
Assyrien Steine genügend vorhanden waren, benutzte man haupt¬ 
sächlich gebrannte oder an der Sonne getrocknete Ziegel. Denn 
wie die Assyrier in allen übrigen Beziehungen von der Kultur 
Babylons abhängig waren, ahmten sie auch für die Baukunst das 
Muster nach, welches das flache Tiefland der Babylonier bot, wo 
sich Steine nur spärlich fanden, und errichteten Backsteinmauern, 
deren Haltbarkeit man durch grosse Tiefe zu erhöhen suchte. 
Die dicken Mauern deckte von einer Wand zur anderen ein Holz¬ 
gebälk, welches dureh Schnitzwerk, edle Metalle u. s. w. verziert 
war. Aussen und innen wurden die Wände durch glasierte und 
bunte Ziegel oder durch Metallbleche oder durch eine Putzschicht 
mit verschiedenen Dekorationen, zum grossen Teil aber auch 
durch Steinplatten (Alabaster) verkleidet, deren breite Fläche 
reiche Skulpturen in Relief bedeckten. In diesen Bildwerken, 
welche ein fortlaufender Keilschrifttext begleitet, kommt in fort¬ 
schreitender Handlung die ganze Thätigkeit des Herrschers, der 
den Palast erbaut hat, zur Darstellung. Da die assyrischen 
Künstler jeder Handlung getreu einen realistischen Hintergrund 
gaben, welcher dem wirklichen Schauplatz des abgebildeten Er¬ 
eignisses möglichst entsprach, so treten uns bei der Schilderung 
der friedlichen und kriegerischen Thätigkeit des Königs sämt¬ 
liche ^ erhältnisse und Kreise des assyrischen Lebens entgegen. 
Das i eligiöse Moment findet starke Berücksichtigung. An 
den Pforten (Abbildung 14), welche in Abweichung von dem 
sonst üblichen System der geraden Linien zuweilen den Rund¬ 
bogen aufweisen, pflegen paarweise die Symbole von den Göttern 
des Todes und Kamples zu stehen: Geflügelte Stiere oder Löwen 
mit Menschenhäuptern. Menschliche und tierische Gestaltungs¬ 
tormen zu vermischen liebte man, um besondere Eigenschaften 
und Kiäste hervorzuheben. Geflügelte Dämonen oder Genien 
welche m der einen Hand einen Pinienzapfen, in der anderen 
ein Gefäss für Weihwasser tragen (Abbildung 8), finden sich 
häufig. Diese Gottheiten niederer Gattung, deren Wirken in der 
Natur die Assyrier zu spüren meinten, sollen die Räume behüten 
zu deren Schutz sie aufgestellt sind. Oft tragen solche Dämo¬ 
nen einen Adlerkopf und erscheinen segnend oder betend auf 
beiden Seiten der wunderlichen Nachahmung eines Baumes (Ab- 
1 düng 14 rechts), der ein Symbol des Lebens sein kann und 
mit der biblischen Erzählung vom Baume des Lebens in Ver¬ 
bindung gebracht worden ist. 
Eine sorgfältige Darstellung erhält auf den Reliefs natür¬ 
lich die Gestalt des Königs, welcher den Mittelpunkt bildet. 
Wie die andern Assyrier, trägt er das Nationalgewand, d. h. ein 
ang herabreichendesHemd mit kurzen Ärmeln, dazu ein mantel¬ 
artiges Obergewand (Abbildung 2). Dieser reichgeschmückte 
Mantel ist die kennzeichnende Tracht des Königs. Haupt- und 
Barthaar wurde bei allen Assyriern mit grosser Sorgfalt behän¬ 
dst’ /erweise m gekräuselten Locken und Flechten geordnet 
Als Kopfbedeckung trug der König eine hohe Filzmütze, welche 
oben m sich selbst zurückgedrängt eine Spitze erhielt und 
ringsum von goldenen oder goldgestickten Reifen umgeben war. 
Ausserdem fuhrt der König einen kostbaren Stab von Mannes¬ 
höhe. Im Kriege erscheint der König an der Spitze seines 
Heeres (Abbildung 9) auf einem Streitwagen, von welchem herab 
er wie die übrigen Befehlshaber mit Pfeil und Bogen kämpft 
Dem König folgen seine Krieger; ausser dem Fussvolk giebt es 
Bogenschützen zu Pferd (Abbildung 1) und leichte Cavallerie 
welche auf Abbildung 5 die Verfolgung eines Kameelreiters voll¬ 
zieht.^ Die Trophäen des beendeten Krieges werden durch Gruppen 
von Unterworfenen, die in das Exil abgeführt werden, (Abbildung 
12) repräsentiert. Nicht minder wie die kriegerischen Erfolge des 
Königs finden seine Beschäftigungen im Frieden, z. B. seine Opfer» 
Jagdzüge u. s. w. ihre Schilderung. Dabei vermochten Bilder, wie’ 
das der rastenden Nomaden (No. 11), welches den Gegensatz der 
Unterthanen zur herrschenden Kriegerkaste veranschaulicht, und 
des assyrischen Dorfes (No. 4) ihre Stelle zu erhalten. Bei dem 
letzteren fällt die Gestaltung der Dächer auf; sie erklärt sich aber 
leicht aus dem ältesten Ursprung der Behausung. Diese ward 
aus Bündeln \on Binsen hergestellt, welche man bogenförmig zu¬ 
sammenkrümmte. So bekam man eine Art Balkenwerk, über welches 
Matten gespannt wurden. Später nahm man Palmbäume statt der 
Sumpfgewächse, noch später Ziegel, und brachte so das Wölbungs¬ 
prinzip zur Ausbildung. Davon ausserordentlich verschieden ist 
dei Charakter der städtischen Gebäude und des Tempels auf Ab¬ 
bildung 3. Während letzterer die leichte Stilart des Giebelhauses, 
welche aus dem Holzbau hervorgegangen zu sein scheint, auf¬ 
weist, gab es bei den Assyriern auch die von Babylon (vergl. 
die Sage vom Tuimbau zu Babel) entlehnten Etagentempel, deren 
schwere Massenhaftigkeit zum Ruhme des königlichen Erbauers 
dienen sollte. Man errichtete sie im turmähnlichen Stil, sei es 
um den Göttern, den Geistern des Himmels und der leuchtenden 
Gestirne, näher zu kommen und in reiner Luft die Opfer zu 
bringen, sei es um die Stätte der Götter, welche der Glaube auf 
einem hohen Berg thronend sich vorstellte, nachzubilden. Die 
Rekonstruktion auf Abbildung 7 verdeutlicht, wie auf einer Platt¬ 
form, die von gewaltigem Mauerwerk umgeben ist, ein massiver 
Unterbau sich erhebt und auf diesem eine Reihe von Stock¬ 
werken sich nach oben verjüngt. Im obersten derselben befindet 
sich das eigentliche Heiligtum. 
An die babylonisch - assyrischen Vorbilder lehnt sich die 
persische Kunst an. Doch geht sie auf einen eigenartigen Ur¬ 
sprung zurück und zeigt die Neigung, verschiedene Elemente mit 
der heimischen zu verbinden. In der Architektur nämlich be¬ 
gegnen wir der ausgiebigen Verwendung von geglätteten Bruch¬ 
steinen und einem Stil, der aus früherem Zelt- und Hüttenbau 
hervorgegangen zu sein scheint. Er zeigt Vorliebe für überaus 
schlanke Säulen. Sie erinnern an Zeltstangen und haben z. B. 
auf 60 Fuss Höhe nur 4 Fuss Durchmesser. Ihr oberster Teil, 
das Kapitäl, pflegt aus Vorderteilen von Stieren (Einhorn) oder 
Pferden zu bestehen. Die Basis besitzt vielfach den Schmuck 
niederfallender Blätter (Abbildung 6). Diese Säulen trugen ge¬ 
waltige Hallen, welche in Breite wie Länge ausgedehnt mächtig 
in die Höhe strebten. Die Decke des sogenannten Audienz- oder 
Thronsaales, den Dareios zu Persepolis aufführen liess, stützten 
100 Säulen, je 10 in 10 Reihen! Die Ausschmückung dieser im¬ 
posanten Räume war ähnlich wie bei den Assyriern, wahrschein¬ 
lich aber noch prachtvoller durch reichere Verwendung von edlen 
Metallen, von Bildwerken u. s. w. Fasste die babylonisch-assy¬ 
rische Skulptur das Leben sehr markig und gedrungen auf, so 
erscheinen die persischen Formen ruhiger, edler, freier. Welches 
Verständnis für massvolle und schöne Verhältnisse überhaupt die 
Perser besassen, zeigt besonders das Grabmal des älteren Kyros 
(t 529), das sich noch heute bei der persischen Stadt Murghab 
(nordöstlich von Schiras) befindet. Dort trifft man die geringen 
Reste von Pasargadä, der Hauptstadt der Landschaft Persis. In 
dieser Stadt, welche Kyros zum Zentrum seines Reiches machte, 
ward sein Grab errichtet. Auf einem terrassenförmigen Unter¬ 
bau erhob sich in der Mitte ringsum liegender Hallen, wovon 
nur wenige Trümmer übrig geblieben, eine massive Pyramide 
von 7 hohen Stufen (Abbildung 10). Oben darauf ruht ein 
kleines Giebelhaus mit wenig erhobenem Dach. Das ist das 
Grabgemach, welches aussen 17 Fuss Breite bei 20 Fuss Länge 
misst, im Inneren 8 Fuss hoch, 7 Fuss breit und 10 Fuss lang ist. 
Die ganze Anlage, welche aus Marmorquadern besteht, wirkt durch 
ihre einfachen und edlen Formen, geeignet eine weihevolle 
Stimmung hervorzurufen. Einen anderen Charakter weist das 
Grabmal des Dareios (t 485) auf. Derselbe legte nordwestwärts 
von Pasargadä einen neuen Königssitz (Persepolis) an. Hier 
erstand der grosse Reichspalast mit dem oben erwähnten Audienz- 
und Thronsaal, ein gigantischer Marmorbau, dessen Blöcke so ge¬ 
waltig sind, dass oft zehn bis fünfzehn Stufen der Treppe, die auf 
die Palastterrasse führt, aus einem Stück gehauen sind. Ferner 
liess Dareios in der Nähe von Persepolis eine steile Felswand 
zu seinem Grabmal herrichten, 60 bis 70 Fuss über dem Boden 
zu einer Fassade aushauen, deren architektonische Formen uns 
wichtige Aufklärungen über den persischen Baustil geben (Ab¬ 
bildung 13). Ein Scheinportikus von vier Säulen, etwa 50 Fuss
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.