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Nachbildung der im gewöhnlichen Leben üblichen Randkappen,
die in der Mitte eingedrückt wurden und eine bandartige Stirn¬
verzierung, sowie herabhängende Binden als Schmuck erhielten.
Verschieden von diesen bischöflichen Mitren ist die Kopfbedeckung
des Papstes (Tafel 17, No. 2), ein ziemlich hoher, zuckerhutför¬
miger Spitzhut mit goldenem Stirnreif. Zu letzterem trat ein
senkrechter Streifen und am Anfange des 14. Jahrh, ein zweiter
Horizontalreif, am Schlüsse desselben ein dritter, so dass das
Ganze die Form einer dreifachen Krone gewann. Über die
Form der Bischofsstäbe wurde schon zu Tafel 15 gehandelt.
Es sei nur noch zu Abbildung 2 auf Tafel 17 bemerkt, dass
das Brustschild mit 12 Edelsteinen, das sog. Pektorale oder
Rationale, später ausser Gebrauch kam, dagegen das am linken
Arme hängende, handtuchartige Zeugstück (ursprünglich ein
Wischtuch?) als Prunktuch beibehalten worden ist.
Die Ausrüstung des Kriegers hatte seit der Karolingerzeit
nur geringe Wandelung erfahren. Im Streit blieben Speer und
Schwert die ritterlichen Waffen; letzteres, welches durch zuneh¬
mende Länge und Breite der Eisenklinge wuchtiger und an sei¬
nem Griffende ziemlich umfangreich wurde, sich im Frieden durch
einen Schwertträger (Tafel 17, No. 4) vor- oder nachtragen zu
lassen, bildete sich als beliebte Sitte der Vornehmen heraus.
Neben den Handbögen gelangte in noch unbestimmter Zeit (vor
dem 12. Jahrh.?) eine Art Armbrust zur Verwendung (Tafel IG,
No. 10 u. 11). Als Schutzwaffen wurden seit dem 10. Jahrh.
Helme und Harnische allseitig gebraucht. Erstere bewahrten
die alten Formen des Kegels oder der niedrigen Kappe, ja selbst
der phrygisehen Mütze und scheinen früher aus Leder mit eiser¬
nen Bügeln, im 11. Jahrh, häufiger ganz aus Eisenblech bestan¬
den zu haben. Auch fügte man vielfach an den Helm Deckungs¬
vorrichtungen, z.B. einen Schirm für die Nase (Tafel 16, No. 3.
Dies System fand seine Vervollkommnung in den geschlossenen
Helmen, welche wohl schon im 12. Jahrhundert nicht selten be¬
nutzt wurden: sie reichen topfartig aus einem Stück gefertigt
bis zum Kinn und lassen nur für die Augen u. s. w. ganz
schmale Öffnungen (Tafel 16, No. 16, Fig. 6). Parallel ging
die Verbesserung des Panzers. An Stelle des steifen Leder¬
kollers, der mit Metallstreifen, Schuppen oder grösseren, über
einander hinweggreifenden Ringen besetzt war, trat im 11. Jahrh,
eine beweglichere Form ein: auf einem weichen Stoff nähte man
Reihen kleiner Ringe, die zu einfachen Ketten verbunden waren,
auf (Ringpanzer); im 12. Jahrhundert verbreitete sich wahr¬
scheinlich durch französischen Einfluss der Gebrauch der Ketten¬
geflechtpanzer, die im Orient seit früher Zeit bekannt waren, d. h.
dichte Eisenkleider aus sehr kleinen Ringen, von welchen jeder be¬
sonders vernietet mit allen Nachbarringen künstlich verflochten
war. I)a man auch Hals und Kopf (mit Ausnahme des mittleren
Gesichtes) durch eine mit dem eisernen Waffenhemd verbundene
Capuze gleicher Art und die Beine statt mit Plattenschienen (Tafel
16, No. 2) mit Geflechthosen schützte, so entstanden förmliche
Kettenanzüge, die man auf Tafel 16 vielfach veranschaulicht findet.
Unter dieser Eisenrüstung trug man (wattierte?) Unterkleider,
über derselben einen leichten, zumeist ärmellosen Überwurf, das
Wappenkleid, um zu verhindern, dass die Eisenrüstung durch
die Sonnenstrahlen gar zu sehr erhitzt wurde. Der Kettenge¬
flechte und darüber hängender Schutzdecken bediente man sich
auch für die Streitrosse. Der Kriegsdienst zu Fuss hatte näm¬
lich seit dem 10. Jahrhundert seinen Adel ganz verloren. Nur
dem Reiter kam noch die Waffenehre zu; auf der Masse der
wohlgerüsteten Ritter beruhte die Kraft des Heeres. Freilich
konnte man in den Heeren des Fussvolkes niemals ganz ent¬
behren; es pflegte die Schlacht durch Scharmutzieren zu eröffnen,
und gut bewaffnet konnte der gemeine Fussgänger selbst dem
Ritter gefährlich sich zeigen, wie denn die Helmbarte (Helle¬
bai te, lafel 16, No. 2) d. i. ein Beil mit langem Stil, wuchtig
geschwungen den Helm zu spalten vermochte. Aber die Ent”
Scheidung in der Schlacht brachte der Reiterkampf (Tafel 16,
No. 17), und darum wurden von den Truppen nur die Ritter
gezählt, wenn sie auch stark in der Minderzahl waren.
Als Vorbereitung für den Kampf, zur Erprobung der ritter¬
lichen iüchtigkeit dienten die Turniere. Waffenspiele hat es
nun jederzeit gegeben. Die Turniere aber bedeuten etwas Be¬
sonderes. In Frankreich haben einheimische Ritter während
des 11. Jahrhunderts die Übungen, welche ursprünglich zu
Manovrierzwecken dienen sollten, durch Aufstellung von festen
Gesetzen und Gebräuchen zu einem Glanzpunkt höfischer Fein¬
heit ausgebildet. Es ward daraus ein Fest, an dem auch Damen
1,1,en1.rflche°i Anteil hatten. Zu scheiden ist dabei zwischen
litteihchem Stechen (Tjost), wo Mann gegen Mann (Tafel 16,
No 15), und dem eigentlichen Turnier, dem Abbild eines wirk¬
lichen Reitertreffens, wo Schar gegen Schar kämpft. Die Teil¬
nahme erforderte sorgfältige Rüstung (Tafel 16, No.9) und brachte
zwar dem Sieger grosse Ehre, bei dem Lehnsherren Berück¬
sichtigung, bei den Damen Bewunderung und Zuneigung, war
aber gar nicht ungefährlich und billig. Gerade im Anschluss an
diese festlichen Zusammenkünfte vermochte sich der steigende
Luxus der ritterlichen Kreise besonders zu entwickeln. Man fand
sich in möglichster Pracht der Kleidung und Rüstung ein. Es
ward mehr, als früher Sitte, den Helm durch allerlei Federbüsche,
bunte Tücher und phantastische Zieraten zu schmücken. Zu
letzteren pflegten besonders Wappentiere genommen zu werden,
und um den Ritter, dessen Gesicht der Helm verdeckte, unzwei¬
felhaft kenntlich zu machen, wurden nicht minder die Schilde,
die man möglichst kostbar ausstattete, die Wappenkleider die
Überhangdecken der Rosse, die Wimpel der Lanzen mit Wappen
versehen.
Dem zunehmenden Prunk der ritterlichen Gesellschaft ent¬
sprach auch eine stattlichere Gestaltung der Behausung. Die
Form derselben war die Burg, der befestigte Wohnsitz, in welchem
der Mensch und seine Habe geborgen war. Während es vorher
wohl für genügend galt, die Gebäude des Landsitzes durch Wasser¬
graben und Palissadenreihe abzuschliessen, begannen im 10. Jahrh,
die mächtigeren deutschen Herrengeschlechter für ihre Burgen
von Natur geschützte Plätze zu wählen und den bisher wenig ge¬
übten Mauerbau (Quadertechnik) anzuwenden. Am liebsten be¬
festigte man die Kuppe eines Felsen, dessen abfallende Seiten
die Annäherung des Feindes möglichst erschwerten, und liess
nur ein Thor als Öffnung. Das war die schwache Stelle, gegen
welche sich der feindliche Angriff zu richten pflegte, und darum
galt die Sicherung des Zuganges als die Hauptsache. Nicht
überall lag die Sache so günstig, wie beim Schloss Wildenstein
an der Donau nahe bei dem badischen Städtchen Mösskirch
(Abbildung 18 nach einem alten Holzschnitt): hier befindet sich
die Hauptburg auf frei liegendem Felsen; von ihr führt über eine
tiefe Schlucht eine Doppelzugbrücke, welche in einem gewaltig
ausgemauerten Pfeiler ihre Stütze findet, nach einem weniger abge¬
schlossenen Bergabschnitt, der gleichsam als Brückenkopf oder
Vorburg befestigt und durch eine kleine Zugbrücke mit dem
Bergplateau verbunden ist. Die eigentliche Burg pflegte ausser
der Umfassungsmauer und einem Hauptturm, welcher als Kern
der Befestigung erscheint, dem sog. Bergfried, noch aus dem
Palas (Palatium), der Halle des Burgherrn, aus der Kemenate d. i.
einem mit einer Feuerstätte (caminus) versehenen Gemach oder
Gebäude, das dem eigentlichen Familienleben diente, und der
Küche zu bestehen. Die volle Ausbildung grosser Hofburgen,
bei welchen sich die mannigfaltigsten Nebengebäude für Wirt¬
schafts- und Wohnzwecke fanden, datiert in Deutschland seit dem
1067 begonnenen Bau der Wartburg. Der heutige Grundriss
(Tafel 17, No. 20) derselben weist freilich viele Umgestaltungen
gegen den ursprünglichen Plan auf; noch aber lässt sich dieser
erkennen: die Umfassung folgt der obersten Platte des isoliert
liegenden Felsens; der Eingang führt durch einen dicken Turm
auf der Nordseite, und dementsprechend steht ein zweiter Turm
auf der Südecke. Fast in der Mitte zwischen beiden erhob sich
der mächtige Bergfried, der Grundstock der inneren Befestigung,
an welchen sich eine Abschnittsmauer lehnte, welche die ganze
Anlage in die nördliche Vorburg und die südliche Hofburg schied.
In der letzteren befanden sich die wichtigsten Bauten des
Herrensitzes, und noch bis auf unsere Zeit hat sich ziemlich
in der alten Form der Palas (Tafel 17, No. 19) erhalten; er¬
richtet ist er in dem sog. romanischen Baustil, der auf dem
Gebiete der kirchlichen Gebäude seine Entwickelung fand.
Bei der allgemeinen Verwirrung nämlich, welche die Auf¬
lösung der Monarchie Karls des Grossen begleitete und seinem
Beginnen Kunst, beziehentlich Kunsthandwerk zu fördern, keinen
Raum zur Entfaltung liess, zog sich die künstlerische Thätig¬
keit in die Klöster, die Pflanzstätten der Gesittung, zurück. Hier
bestand die Beschäftigung in Werken zur Verherrlichung Gottes.
Als Grundlage dienten die Nachwirkungen der römisch-christlichen
Kunst (besonders auf dem Gebiete der Architektur, welche
das meiste Interesse in Anspruch nimmt), so dass man die
Kunst des 11—13. Jahrhunderts als ,.romanische“ zu bezeichnen
pflegt. Doch da die römische Tradition nur in vereinzelten
Werken oder Fragmenten, seien es Bauten, seien es Metallar¬
beiten u. s. w., als Muster diente, und da das sich zunächst und
gleichsam zufällig Bietende eine lokale Nachahmung hervorrief,
so lässt sich ein in sich geschlossener Typus für die romanische
Kunst des Abendlands nicht fixieren. Aus dürftigen Anfängen
entwickelt sich seit dem 11. Jahrhundert überall eine bessere
Technik, ein grösserer Formenreichtum, eine innere Durchbildung
der Details, wobei sich die Kunst in einer grossen Mannigfaltig¬
keit von Kreisen bewegt, die nur teilweise Berührung haben.
Auf dem Gebiet der Architektur, soweit sie den Bau der Kirchen
betrifft, findet sich jedoch als gemeinsamer Zug die Entleh¬
nung des Grundrisses von der dreischiffigen, altchristlichen
Basilica (Tafel 13, No. 12) und die Erweiterung desselben durch
Räume, welche den alten Zusammenhang des Mittel- oder Haupt¬
schiffes mit der Apsis lösten. Es legt sich nämlich vor das
dreischiffige Langhaus ein Querhaus, das in gleicher Höhe mit
dem Mittelschiff über die beiden Seitenschiffe heraustritt und