2. vertrauliche Äußerung Bismarcks (1862) - 3. Hebe Bismarcks (1863) Z
(Es ist noch kein volles Jahr her, wenn ich nicht irre, war es bei den letzten
Wahlen, da wurde die Behauptung, daß in Preußen das Parlament mit
der Krone um die Herrschaft dieses Landes streite, mit Entschiedenheit
zurückgewiesen; nachdem Sie die Adresse, wie sie vorliegt, werden an¬
genommen haben, wird diese Zurückweisung nicht mehr möglich sein.
3rt dieser Adresse werden dem Hause der Abgeordneten Rechte
vindiziert, welche das Haus entweder gar nicht, oder doch nicht allein
besitzt, wenn Sie, meine Herren, das Recht hätten, durch Ihren alleinigen
Beschluß das Budget in seiner hauptsumme und in seinen Einzelheiten
endgültig festzustellen; wenn Sie das Recht hätten, von Sr. Majestät dem
Könige die Entlassung derjenigen Minister, welche Ihr Pertrauen nicht
haben, zu fordern; wenn Sie das Recht hätten, durch Ihre Beschlüsse über
den Staatshaushaltsetat den Bestand und die (Organisation der Armee
festzustellen; wenn Sie das Recht hätten, wie Sie es verfassungsmäßig nicht
haben, in der Adresse aber beanspruchen, die Beziehungen der Exekutiv¬
gewalt, der Staatsregierung zu ihren Beamten maßgebend zu kontrollieren:
dann wären Sie in der Tat im Besitze der vollen Regierungsgewalt in
diesem Lande. Auf der Basis dieser Ansprüche beruht Ihre Adresse, wenn
sie überhaupt eine Basis hat. Ich glaube daher, die praktische Bedeutung
derselben mit kurzen Worten dahin bezeichnen zu können: durch diese
Adresse werden dem königlichen Hause der hohenzollern seine verfassungs¬
mäßigen Regierungsrechte abgefordert, um sie der Majorität dieses Hauses
zu übertragen.
Sie kleiden diese Forderung in die Form ein, daß Sie die Verfassung
für verletzt erklären, insoweit die Krone und das herrenhaus sich Ihrem
willen nicht fügen; Sie richten den Vorwurf der Verfassungsverletzung
gegen das Ministerium, nicht gegen die Krone, deren Treue gegen die
Verfassung Sie ganz außer allen Zweifel stellen. Gegen diese Scheidung
habe ich mich schon in den Ausschußsitzungen verwahrt. Sie wissen so gut
wie jedermann in Preußen, daß das Ministerium im Hamen und auf
Befehl Sr. Majestät des Königs in Preußen handelt und namentlich die¬
jenigen Regierungsakte, in welchen Sie eine Verfassungsverletzung erblicken
eines Wehrgesetzes gefordert. AIs Roon im März 1862 in der Militärkommission
erklärte, daß die Regierung an der dreijährigen Dienstzeit festhalte, kam es zum
Bruche. Am 23. Sept. 1862 wurde die Streichung aller Ausgaben für die Heeres¬
reform beschlossen. Am 20. Sept. war Bismarck von Paris in Berlin angekommen
und am 22. Sept. in Babelsberg vom Könige empfangen worden. Am 23. Sept.
wurde seine (Ernennung zum Staatsminister und interimistischen Vorsitzenden des
Staatsministeriums veröffentlicht. In der Landtagssitzung am 29. Sept. zog er
den (Etat für 1863 zurück. Am 13. Oktober erklärte Bismarck im Landtagsab¬
schiede, daß es die Regierung für ihre Pflicht halte, ,,bis zur gesetzlichen Fest¬
stellung des Etats die Ausgaben zu bestreiten, welche zur (Erhaltung der bestehen¬
den Staatseinrichtungen und zur Förderung der Landeswohlfahrt notwendig sind,
indem sie die Zuversicht hegt, daß dieselben seinerzeit die nachträgliche Genehmi¬
gung erhalten werden".
QueUenjammlung 1,15: Vrandenburg-Rühlmann, von 1861 bis 1871 2