(Großschönau und Waltersdorf). In den vogtländischen Mus¬
selinfabriken und in Eibenstock wurden viele Frauenhände mit
der Herstellung seidener Stickereien beschäftigt. Das Aus¬
nähen der Musseline mit Garn und Seide ernährte im Vogt¬
lande und Erzgebirge gegen 6000 Menschen.
Die industrielle und gewerbliche Tätigkeit Sachsens war
also zu Anfang des 19. Jahrhunderts schon sehr mannigfaltig.
Doch gab es außer den Spinnereien noch wenig Fabriken im
heutigen Sinne, wie man auch Dampf und Elektrizität als
Triebkräfte nicht kannte. In größeren Betrieben wurde nur
erst Wasserkraft benutzt. Die Meister arbeiteten mit ihren Ge¬
sellen und Lehrlingen in der Werkstatt, gebunden an die Vor¬
schriften der Zunft. Viele Berufe, besonders Weberei und
Wirkerei, beschäftigten alle Glieder einer Familie, waren also
Heimarbeit. Der Vater webte oder wirkte, die Mutter spann,
die Kinder spulten das Garn auf. Viele Kinderhände ar¬
beiteten besonders in der Spielwarenindustrie, Spitzeuklöppelei
uud Strohindustrie.
Rohprodukte und Jndustrieartikel beeinflußten natürlich
auch den Handel. Die Erzeugnisse wurden zum Teile ver-
hausiert. Besonders im Erzgebirge nährten sich viele Fa¬
milien dadurch, daß der Vater „über Land" ging. Die Hau¬
sierer, die Spitzen, Bänder, Blechwaren und Arzneien ver¬
kauften, waren den größten Teil des Jahres unterwegs, sie
zogen bis nach Norddeutschland uud an den Rhein und brachten
erst zu Beginn des Winters ihren Verdienst nach Hause. Im
Winter lebten sie dann davon. Ihre Familie mußte sich
während der langen Abwesenheit mit Klöppeln und anderen
Handarbeiten kümmerlich durchschlagen. Im Frühjahre mach¬
ten sich die Männer anfs neue auf die Reise.
Viele Waren wurden auf Jahrmärkten abgesetzt, die
besonders von Schuhmachern, Strumpfwirkern, Spielzeug¬
fabrikanten, Schnittwarenhändlern, Posamentierern und Töp¬
fern bezogen wurden, oder auf Messen an den Mann ge¬
bracht, in Naumburg (29. Juni), in Leipzig (Neujahr, Ju¬
bilate und Michaelis), Braunschweig und Frankfurt a. O.
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