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Wir vier Ordonnanzen, den ganzen Abend auf den Befehl, die
Gegenordre, harrend, sprachen von nichts anderem als davon, was die
nächste Zeit wohl bringen würde, ob Krieg oder Frieden. Bis 11 Uhr
waren wir, im Bette liegend, noch nicht eingeschlafen. Unser Sergeant
Maas, welcher in einem anderen Nebengebäude sein Bureau hatte und
schlief, wollte nns, im Fall der Gegenbefehl des Nachts einträfe, aus
Frende die Fenster einwerfen. Schließlich waren wir doch eingeschlafen,
jedoch träumte ich die ganze Nacht allerlei: bald war ich zn Hanse bei
den lieben Angehörigen, dann war ich wieder im heißesten Schlacht¬
getümmel. Es war 4 Uhr morgens, als ich, halb wachend, halb träumend
einige Male unten vom Hofe her das Rufen zu hören glaubte: „Ordon¬
nanz! Ordonnanz!" Schnell sprang ich aus dem Bette (die drei
anderen schliefen noch) und eilte ans Fenster; ich gewahrte, daß der Ruf
vom Hofe her kein leerer Traum, sondern Wirklichkeit war, denn ich sah,
obgleich es noch recht dunkel war, eine Kavallerie-Ordonnanz auf dem
Hofe halten. Mit einigen Sätzen, halbnackend wie ich war, eilte ich die
Treppe hinunter anf den Hof, woselbst mir die Ordonnanz die frohe
Botschaft von dem Abschluß der Friedenspräliminarien verkündete. Der
Reiter, ein großes Schreiben in der Hand haltend, stieg ab, und ich hielt
ihm sein Pferd wohl eine Viertelstunde. Meine Kameraden waren in¬
zwischen ebenfalls aufgewacht. Ich war längst in unserer Stnbe, als
plötzlich verschiedene Kieselsteine an unser Fenster schlugen; es war unser
Sergeant Maas, der seinem Versprechen nachzukommen suchte, leider
hatte er dir Botschaft aber später erfahren als wir. Nun gings sofort
ans Diktieren und Aufschreiben des gekommenen Befehls, daß die
Friedenspräliminarien abgeschlossen und die Kompagnien in Folge dessen
nicht um 7 Uhr zum Abrücken bereit zu stehen brauchten. Unsere Freude,
die wir empfanden, läßt sich schwer in Worten wiedergeben. Ein Jeder
von uns suchte nun schnellstens die Ordre seinem Hauptmann zn über¬
mitteln. Int Quartier des Hanptmanns angelangt, ging ich sofort
unangemeldet, nur seinem Burschen Bescheid gebend, in des Hauptmanns
Schlafkammer; er schien schon gewacht zu haben. Sich aufrichtend und
im Bette sitzend, hörte er mein Vorlesen des Befehls an. Auch er gab
seine Freude in Worten zu verstehen und meinte, ich möchte doch auch
den anderen Herren Offizieren seiner Kompagnie sowie dem Feldwebel
von besagtem Befehl Kenntnis geben, was ich mich sofort besorgte.
Allenthalben war der Jubel groß.
1)0. Einweihung des Denkmals der Oldenburger bei Bionville. 1872Aug.8.
— Krohne, Das Denkmal der Oldenburger bei Vionville. Oldenburg 1873, S. 38.—
(Der Großherzog Nikolaus Friedrich Peter ließ bei dcit Trouviller Büschen den ge¬
fallenen Oldenburgern ein Denkmal setzen. Dasselbe bestellt ans einem Sockel von
Steinblöckeu, auf dem sich ein schrägliegendes Kreuz erbebt, an daS sich ein auf¬
geschlagenes Buch leimt.)
(Ju der Rede des Divisionspfarrers Krohne heißt es:)
Wer will sie aufzählen, die auf dem Schlachtfelde und Kranken¬
lager unseres Volkes Freiheit und Ehre mit ihrem Leben bezahlt? Wer