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nächsten standen, aber auch eine sehr beschwerliche Lebensweise
führten. Sie lebten in Hainen in einiger Entfernung von Men¬
schen, lagen auf der Erde oder auf Häuten, kleideten sich in
Tierfelle und aßen nichts Lebendes. Erst nach 36—40 Jahren
lebte der Weise besser, trug Baumwollgewand und Goldringe
an Händen und Ohren, aß Fleisch, nahm mehrere Weiber und
zog, von mehreren Schülern begleitet, durch das Land, um
das Volk zu belehren. Meistens hielten sich diese Volksprediger
auf dem Markte auf, wo man sie um Rat anging; andere
lebten im Walde, auf Wiesen oder unter großen Bäumen, lagen
nackt auf Steinen und aßen nichts als Baumrinde und reifende
Kräuter. Sommer und Winter gingen sie nackt und lebten
auch bei Regengüssen im Freien. Gegen Schmerzen waren sie
unempfindlich, standen den ganzen Tag unbeweglich auf einem
Beine und hielten dazu noch Holzstücke von drei Ellen Länge
in der Hand. Manche Weise dienten dem Könige als Rat¬
geber; andere wirkten als Ärzte, Wahrsager und Zauberer;
noch andere zogen bettelnd in Dörfern und Städten umher.
Diese Weisen wurden vom Volke und Könige hochgeehrt, waren
abgabenfrei und erhielten reiche Geschenke. Jedes Haus stand
ihnen offen; wen sie besuchten, der fühlte sich geehrt und begoß
sie sogleich so reichlich mit Sesamöl, daß es ihnen über die
Augen herabfloß.
Druck von Friedrich Andreas Perthes in Gotba.