Die Belagerung Dresdens (1760).
95
mich über diesen großen Verlust nicht einen Augenblick betrübte. Es war
weder Reflexion, noch Philosophie, die mich wunderbar beruhigte; Gottes
Gnade allein war es. Nichts von allem habe ich gerettet, als meinen
abgetragenen Zeugrock und ein paar alte Oberhemden, die ich auf die
Seite gelegt hatte, um sie meinem Bedienten zu geben. Sonntags früh
sing man an auch für die Neustadt besorgt zu sein, und viel tausend
Menschen gingen zum Thore hinaus auf das offne Feld und die Wein¬
berge. Ich folgte mit, und mein Bedienter mußte mein Bündelchen unter
ben Arm nehmen, mein ganzer Reichtum. Vor dem Schlage fand ich
einen zerbrochnen Weinpfahl, auf den stützte ich mich und watete Bei
einer brennenden Hitze durch den Sand eine Meile Wegs weit zu meinem
Freunde auf feinen Weinberg, wo ich notdürftiges Essen und gutes Wasser
fand. Seit dem 13. abends war ich in kein Bett gekommen, und auch
hier lag ich bis Mittwochs (d. i. der 25. Juni) auf der Erde. Ich ritt
endlich selbigen Tags nach Hohenstein, vier Meilen von Dresden, und
weil mein Bedienter ganz kraftlos war, so ließ ich ihn zwei Meilen reiten,
und den übrigen Weg ging er zu Fuße. In Hohenstein sand ich gute
Freunde, die auch abgebrannt waren, und wir lebten ruhig, bequem und
sehr vergnügt. Sonnabends nach dem Bußtage gingen wir zurück, und
ich befinde mich seitdem gesund, doch, wie Sie wohl glauben können, gar
nicht in meiner Ordnung.
Ich bin noch vor vielen tausend Menschen glücklich; denn keiner von
meinen Freunden oder Bekannten ist verbrannt oder erschossen worden,
ich bin gesund geblieben und habe noch bar Geld gerettet. Etwas von
altem Tisch- und Bettzeuge ist bei einem Bekannten unvermutet geborgen
worden, und so wenig ich es vordem achtete, so lieb ist es mir nunmehr.
Der Mangel an Kleidern und Wäsche ist mir der empfindlichste, weil man
hier nichts bekommen kann und nicht weiß, wie lange uns Gott Ruhe
schenkt.
Meine Bücher, die dauern mich; alle Aussätze und Manuskripte, die
nach meinem Tode sollten gedruckt werden, sind mit verbrannt. Ein
großes Glück für die Narren künftiger Zeit! Alle Briefe von Ihnen
und meinen übrigen Freunden nebst einer zum künftigen Drucke fertig
liegenden Sammlung von witzigen Briefen verschiedener Art sind leider
auch fort.
Empfehlen Sie mich allen meinen Freunden aufs beste. Leben Sie
wohl, mein bester Freund.
In bin in Feuer und Wassersnot
Ihr
redlichster Rabener."