110 II. Die Zeit neuer Staateiibildungen. 
abdanken; am 31. versammelte sich ein Vorparlament in 
Frankfurt, um Deutschland umzuschafsen. Ein ungeheurer 
Kessel öffnet sich da vor unsern Augen, in welchem alles 
durcheinander brodelt, so daß sich die einzelnen Begeben¬ 
heiten nur schwer einreihen lassen. Nie noch hatte Frank¬ 
reich den glänzenden Ruhm, der Tonangeber für Europa 
Zu fei», in so ausgedehnter Weise verdient: Alles lechzte 
nach Grundrechten, und suchte alle mögliche und unmög¬ 
liche Menschenrechte festzustellen, von denen wohl das ver¬ 
hängnisvollste das allgemeine Stimmrecht ist. Durch die 
Klugheit Leopolds I. (S. 66), der sich erbot, feinem Volke 
die Kosten einer Revolution durch Abdankung, falls sie 
gewünscht werde, zu ersparen, blieb Belgien von dem 
Revolutioussieber nnangestecft. Und als die englischen 
Chartisten (S. 51) London mit einem großen Tage be¬ 
glücken wollten, reihten sich alle ruhigen Bürger in die 
Polizei ein und erwehrten sich durch ihre feste Haltung 
der Unruhestifter. Holland begnügte sich mit Einführung 
einer freisinnigeren Verfassung. Durch das übrige Mittel¬ 
europa aber grafsirte das welsche Fieber unaufhaltsam 
weiter, bis es sich ausgetobt und durch feine bitteren 
Früchte die Völker über die Jämmerlichkeit seiner Wur¬ 
zel aufgeklärt hatte. 
§ 2. Oestreich will zerfallen. 
Unter dem schwachen Ferdinand I. (1835—48) hatte 
Metternich noch unumschränkter feine Politik des Still¬ 
stands fortgeführt, und ebendamit Oestreich dem deutschen 
Leben immer mehr entfremdet. Daß sich mittlerweile die 
einzelnen Nationalitäten des Reichs innerlich sammelten 
und ausbildeten, kümmerte den hohen Leiter wenig. So 
bitter die Deutschen in Italien gehaßt wurden, war doch 
die Regierung nirgends Darauf bedacht, das deutsche Ele¬ 
ment zu stärken; vielmehr vereinigten sich an der Süd¬ 
grenze Polizei und Klerus in dem Bestreben, alles zu 
verwelschen, bis die romanische Sprache auf die Wasser¬ 
scheide der Alpen herausgerückt war. Geborne Deutsche
	        
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