152 II. Die Zeit neuer Staatenbildungen.
zeichnet wurde. Es mußte nur einen kleinen Landstrich
an der Donaumündung abtreten und dem Protektorat
über die Donanfürstenthümer entsagen; auch verzichtete es
daraus, Kriegsschiffe im schwarzen Meere zu halten.
Während England eben neue Anstrengungen zum Kriege
machen wollte, hatte Napoleon durch sein Entgegenkom¬
men sich den jungen Kaiser verpflichtet und trat unbean¬
standet als Schiedsrichter Europa's aus. England schien
itn Niedergang begriffen, seit viele Schäden seiner Armee¬
verwaltung an's Licht getreten waren; Rußland hatte er¬
kannt, daß es sich erst sammeln muffe; Oestreich und
Preußen hatten sehr an Achtung verloren, jenes durch
seine Undankbarkeit gegen Nikolaus, dieses durch seine
fortgesetzte Rücksicht aus Rußland, welche sich erst später
als einem richtigen Instinkt entsprungen erwies.
Die Türkei bequemte sich dazu, ihre christlichen Un¬
terthanen unter den Schutz der Großmächte zu stellen und
damit in's Concert der europäischen Staaten einzutreten.
Auf Andrängen des „großen Gesandten," Lord Stratford
Redcliffe (S. 36) hatte der Sultan 18. Febr. 56 das
Hat Humaiun erlassen, welches den Christen gleiche
Rechte mit den Muselmanen zuerkannte. Aber diese it. a.
Reformen blieben fast alle auf dem Papier, denn der
Koran erlaubt keine Gleichheit des Gläubigen mit dem
Ungläubigen. Gegen Muhammedaner kommt kein christ¬
liches Zeugniß auf. Juni 58 wurden die Europäer in
Dschidda durch einen Auflauf ermordet; die türkischen
Behörden und Truppen sahen gleichgültig zu, als im Mai
60 die Drusen des Libanon und die Syrer in Da¬
maskus (S. 95) im Christenblute badeten (damals be¬
setzten die Franzosen Beirut auf längere Zeit); auch in
Konstantinopel lebt die alttürkische Partei wieder auf, so
oft der Druck der Westmächte nachläßt. Abdul Aziz
(61—76) ließ ihr bereitwillig die Zügel schießen; nach¬
dem der „große Gesandte" Konstautinopel verlassen, zeigte
der „kranke Mann" durch alle seine wechselnden Launen,
daß er noch um kein Haar gesünder ist, wenn er auch