§ 22. Das vatikanische Concil. 235
lasse sich nichts verbessern, sie sei das ewig gleiche im
Wechsel aller Dinge.
Anders Pio IX. Seit Gaeta (1849) suhlte sich dieser
eitle aber mnthvolle Mann als Schützling der H. Jung¬
srau besonders begünstigt, wofür er ihr doch einen Gegen¬
dienst erweisen mußte; ohne sich an frühere Lehrer zu
binden, erklärte er sie unter Berufung auf „unsere eigene
Autorität" 8. Dez. 54 frei von aller Erbsünde, daher ein
Priester sie die vierte Person der Gottheit zu nennen
wagte. Diese Immaculee conception erschien dann
1858 als eine hohe Frauengestalt einem 14jährigen Mäd¬
chen in Lonrdes und richtete daselbst ihren Dienst auf.
Als das neue Dogma so ziemlich unangefochten durchgieng,
fühlte Pio das Bedürfniß, die Welt mit noch weiteren
zu beglücken; kam er doch sich selbst beinahe als die fünfte
Person der Gottheit vor. In einem „Syllabus“ ver¬
dammte er 1864 alle Versuche (bes. deutscher Theologen),
das Papstthum mit der modernen Civilisation zu versöh¬
nen; er erklärte z. B. die Behauptung vom Recht eines
jeden Menschen ans Gewissensfreiheit für Wahnsinn, er¬
kannte der Kirche die Zwangsgewalt noch immer zn, ver¬
möge deren einst Ketzer hingerichtet worden, und bezeich¬
nete die Gleichberechtigung der christlichen Consessionen
als einen verdammungswürdigen Irrthum. Noch nie,
sagte er, hat ein Papst die Grenzen seiner Gewalt über¬
schritten, noch nie in Sachen des Glaubens oder der Mo¬
ral geirrt. Er behauptete gegen französische Bischöfe:
Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben! donnerte
in einer Encyclica (Rundschreiben) wie vom Sinai herab
gegen alle liberalen Lehren; und feierte 29. Juni 67
das Jubiläum von Petri MartyrinmMit nie gesehenen
Festen unter dem Zulauf von 500 Bischöfen rc., die ihm
unverbrüchliche Treue gelobten. Das Geld dazu lieferte
ihm der Peterspfennig, der für ihn in aller Welt gesam¬
melt wurde und bis 1869 schon 271 Mill Fks. eintrug.
Damals hat er nicht nur eine Anzahl japanischer Mär¬
tyrer um unbewiesener Wunder willen heilig gesprochen,