42 I. Die Zeit der Konstitutionen.
tan selbst den Kern derselben nicht von ferne, und wurde
auch so schlecht bedient, daß die meisten Reformen doch
nur in Schein ausliefen. Er wagte christliche Damen
zu besuchen, seinen Kindern die Pocken einimpfen zu las¬
sen, Wein zu trinfen; aber der Abgabendruck, die Un¬
sicherheit des Eigenthums und alle Mißbrauche muselma¬
nischer Willkühr und türkischer Rohheit währten auch un¬
ter fränkischer Maske unvermindert fort, selbst in der
Hauptstadt, wie vielmehr in den Provinzen.
Fast in einem Jahre hatte Mahmud sein Fußvolk
vernichtet und durch den Schlag von Navarin (S. 35)
seine Flotte eingebüßt. Die schlauen Russen rieben sich
die Häude und betrieben in Akjermau Verhandlungen, in
welchen sie ihre Forderungen beständig steigerten und zu¬
letzt über Vertragsbruch klagten, worauf 26. April 1828
die russische Kriegserklärung folgte. Der erste Fe^dzug,
von dem alten Wittgeusteiu geleitet, den aber die
Gegenwart des Kaisers vielfach hemmte, entsprach nur gar
nicht der Erwartung, die Europa vorn russischen Heere
hegte. Es erfocht im Kampf um die Donaufestnngen
unter schweren Verlusten etliche „Siege der Einäugigen
über die Blinden," wie der große Fritz über russische
Kriegserfolge in der Türkei zu witzeln pflegte; den be¬
deutendsten Gewinn, die Besetzung der Festung Warna
verdankte es nur dem Verrath des Vertheidigers. — In
Asien dagegen führte der kriegserfahrene Paskewitsch
ein durch sorgfältigste Pflege an sich gekettetes kleines
Heer, eroberte damit in kühnem Zug die Festuug Kars
(Juli), die Nadir Schah 1735 mit 100,000 Mattn ver¬
geblich belagert hatte, sofort auch Achalkalaki und Achalzik
(Aug.), und wußte selbst im Winter Persien, das (Febr.
1829) durch einen Volksciusstaud itt Teheran und den
Mord des russischen Gesandten hoch aufgeregt war, wieder
zur Ruhe zu verweisen, indem er sogar mit dem Sturz
der Dynastie drohte. Der Schah fügte sich; sein eigener
Enkel eilte nach Petersburg, um für die Schmach des
Gesandtenmords Abbitte zu thun.